Die Verdammten der Taiga
Eiskristalle.
»Wieder Streit mit Putkin?« fragte sie, als sie Andreas mit verkniffenem Gesicht herankommen sah.
»Ich mache mir Sorgen, Katjenka.« Er umarmte sie, und als sie im Haus waren, die Mäntel abgeworfen hatten und die Hitze, die der mächtige Steinofen verströmte, ihre mit Reif überzogenen Gesichter auftaute, küßten sie sich und setzten sich auf die Bank vor den heißen Flußsteinen. »Das Kind …«
»Es wird groß und stark werden, Andrejuscha.«
»Zuerst muß es geboren werden.«
»Ich habe Hunderte Geburten geleitet«, sagte Katja Alexandrowna. »Da soll ich bei der eigenen versagen?«
»Wenn es soweit ist, kannst du dir nicht mehr selbst helfen.«
»Ich werde dir sagen, was du tun mußt. Und Nadeshna ist da und Semjon Pawlowitsch. Er hat Tieren bei der Geburt geholfen … der Mensch ist nur eine andere Ausgabe davon. Hast du Angst?«
»Ja«, sagte Andreas ehrlich. »Putkin hat eine Menge Möglichkeiten aufgezählt.«
»Wenn er nicht reden kann, würde er zerplatzen«, sagte die Susskaja und lachte dunkel. »Immer weiß er alles besser. Ich werde mein Kind bekommen wie jede Burjätenfrau in der Taiga.«
»Aber du bist weder eine Burjätin noch eine Jakutin.«
»Bin ich anatomisch anders als sie? Andrej, rede keinen Unsinn.« Sie küßte ihn wieder, kümmerte sich dann um den Herd und rührte in dem Kochkessel. Es gab heute eine Suppe aus Fisch und Büchsengemüse, mit gebräuntem Hasenfett verfeinert.
Später, als Andreas und Morotzkij im Wald waren und Holzstangen schlugen, ging die Susskaja hinüber zu Putkin, der eine große Holzfalle konstruierte, mit der er Hermeline und Nerze fangen wollte.
»Es ist mein Kind –«, sagte sie mit einer Härte, die Putkin die Gefährlichkeit dieser Unterredung bewies. »Was kümmerst du dich darum?«
»Gut! Gut! Streiten wir uns nicht darüber.« Putkin bohrte mit der Messerspitze Löcher für die Fallklappen. »Wenn du an dem Kind verreckst – es ist dein Tod. Aber sind wir nicht eine Gemeinschaft? Ein Kollektiv, das die Hölle erobern will? Ist nicht jeder auf den anderen angewiesen? Braucht man nicht jede Hand in diesem Wald? Und was wird wirklich? Der eine hält sich eine Elchkuh und benimmt sich wie ein stammelnder Idiot, macht rouh-rouh und verdreht die Augen, die andere schleppt sich eines Tages mit einem dicken Bauch herum, der dritte wird blaß bis auf die Knochen, wenn er an die Geburt denkt und ist zu keiner vernünftigen Arbeit mehr fähig, die vierte betet, schnitzt heilige Josefs und Jesuskinder und baut Krippen auf … Katja Alexandrowna, soll man da nicht aus der Haut fahren? Da im Fluß liegen Millionen Rubel, draußen wartet auf uns ein herrliches Leben; wir sind Menschen, die vom Schicksal geküßt wurden, auch wenn es uns in die Verbannung gestoßen hat … und was macht ihr? Ihr zeugt Kinder! Ihr spuckt eurer Zukunft ins Gesicht!«
»Ein Kind, Igor Fillipowitsch, ist durch keine Million zu ersetzen.« Die Susskaja lehnte sich gegen die Hauswand. »Ein Kind von Andrej … ich könnte Gott danken, wenn ich an Gott glauben würde.«
»Geh zurück zu Vater Kyrill und laß dich taufen!« knurrte Putkin.
»Du bist ein Eisenklotz, weiter nichts, Igor Fillipowitsch.«
Putkin warf die halbfertige Falle in den Schnee und stützte die Arme auf die gespreizten Knie. »Ich erinnere mich –« sagte er – »daß jemand den Plan hatte, Rußland zu verlassen und nach Deutschland zu gehen …«
»Es bleibt unser Ziel.«
»Das heißt Flucht aus Rußland, Katja Alexandrewna.«
»So wird es kommen.«
»Mit einem Säugling, du hirnlose Wachtel?« Putkin schnaufte durch die Nase. »Heimlich in Güterwagen zur Grenze, nachts über Gebirge ins fremde Land …«
»Wenn es sein muß, werde ich mir das Kind auf den Rücken schnallen oder in einem Beutel vor der Brust tragen. Du ahnst nicht, wozu ich fähig bin …«
»Wer dich genau ansieht, weiß es, Katja Alexandrowna. Man muß Angst haben vor dir …«
Die Susskaja blickte hinüber zum Wald. Morotzkij und Andreas stapften durch den hohen Schnee zurück, schwer beladen mit Stangen. Sie schleppten auch noch ein junges Ren mit, erwürgt in einer der bestialischen Schlingen, die Putkin gelegt hatte.
»Laß Andrej in Ruhe«, sagte sie hart. »Wir werden auch das Kind überstehen.«
Sie lief davon, Andreas entgegen, um ihn beim Tragen des jungen Rens zu unterstützen. Putkin starrte ihr nach und wetzte die Messerklinge am Innenleder seines Wolfsmantels. »Sie wird über die Böschung
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