Die Verdammten der Taiga
Liebschaften mit einigen Arztkollegen … bleibt das aus bei solch einem Weib?« Der kleine, dicke Bubnow lächelte mokant. »Nirgendwo also eine Verbindung zu General Serikow oder zu Andreas Herr. Eine zufällig zusammengekommene Gesellschaft, die auch zusammen untergeht. Hier ist also die Frau nicht zu suchen, die Serikow symbolisch tötete. Wo aber ist sie? Wer ist sie? Wissen wir das, kennen wir auch die Flugrichtung, die Waska Janisowitsch genommen hat.« Bubnow blickte hoch, sein Blick war kalt, diese grauen Augen durchdrangen einen wie ein Röntgenstrahl. »Wer hat Beobachtungen gemacht, Genossen? Die kleinste Merkwürdigkeit ist jetzt wichtig. Das unwichtigste Detail. Strengen Sie sich an, Genossen. Das hier ist ein Fall, der an unsere Ehre geht. Wo hat es das schon gegeben, daß ein sowjetischer General ein Flugzeug stiehlt und damit verschwindet?«
Man erinnerte sich an diesem Tag an vieles, was Serikow gesagt und getan hatte … aber alles war so normal, daß Bubnow nach vier Stunden resigniert aufseufzte. Auch General Lagutin starrte ins Leere und spürte in sich eine träge Müdigkeit.
»Er muß ein Engel gewesen sein, dieser Waska Janisowitsch!« sagte Bubnow und rieb über seine feuchte Glatze. »Ein wahrer Ausbund an Moral und Sitte … das ist im höchsten Maße verdächtig. So vollkommen ist kein Mensch. Welch ein glänzender Schauspieler muß er gewesen sein …«
General Serikow hatte unterdessen die Absturzstelle erreicht und landete. Der Schnee war hoch über die Trümmer geweht und hatte alles in eine gewellte Landschaft verwandelt. Serikow hielt sich nicht damit auf, noch einmal das Wrack auszugraben. Er übernachtete in seinem gesteppten Schlafsack und versuchte am Morgen, sich in die verzweifelte Lage der Abgestürzten zu versetzen.
Es gab bei logischem Denken – und Katja dachte immer logisch – nur eine Richtung, in die sie gezogen sein mußten: Hinüber zum Tjunjan und den Fluß entlang bis Assykol am Wiljuj.
Serikow studierte die Karte … es war im Winter ein höllischer Weg. Hier gab es nichts als Wald, ein hügeliges Land, überwuchert von Bäumen und verfilzten Büschen.
»Ich werde dich finden, Katja Alexandrowna –«, sagte Serikow, faltete die Karte zusammen und trat das Lagerfeuer aus. »Wenn du lebst, werde ich dich finden …«
Wie konnte er wissen, daß sie damals in großen Kreisen herumgezogen waren und jetzt weiter im Norden hausten, an einem Fluß, den sie nicht kannten und der Tjung hieß? Ein Fluß voll Gold, sich in vielen Windungen in die Hügel einsägend, vorbeifließend an der einsamen Faktorei Jakuttorg, bei der die jakutischen Jäger ihre Felle ablieferten und eintauschten gegen Waffen, Munition, Petroleum, Kerzen, Salz und Wodka.
Ein Fluß, der geradewegs in die Freiheit führte … aber das wußten die da oben am goldenen Ufer auch nicht.
XXIII.
Putkin nahm das Thema Kind nicht mehr in seine Reden auf. Dafür beschäftigte er sich intensiv mit Nadeshna und ihrer Schnitzkunst.
Der Josef war fertig und wurde von Morotzkij mit flüssigem Baumharz bemalt, das Jesuskind lag in der Krippe, ein Schaf blickte dümmlich in die Gegend, und jetzt war eine Figur an der Reihe, die Putkin mit Mißtrauen entstehen sah.
»Der König Balthasar –«, sagte Nadeshna. »Wenn Sie nicht Hände wie eine Dampframme hätten, Igor Fillipowitsch, könnte ich Ihnen zeigen, wie man den Melchior schnitzt.«
»Sie bringt mich um den Verstand –«, sagte Putkin am Abend hinter dem Haus zu Andreas. Sie holten Holz für die Nacht. »Es wird Zeit, daß meine eigene Hütte fertig wird. Ich muß ausziehen, sonst schände ich sie vor Morotzkij und dem beharzten Josef …« Er streckte das dicke Bein aus und hielt Andreas damit fest, als er an Putkin vorbeigehen wollte. »Brüderchen, du hast einmal gesagt, ich sei in die Betschwester verliebt –«
»Das ist die Wahrheit, Igor Fillipowitsch. Leugne es nicht.«
»Wer leugnet es denn, he?« Putkin lehnte sich gegen die Hüttenwand und drückte die Holzkloben an seine breite Brust. »Aber wird es besser, wenn man es ausspricht? Jede Nacht geht es los … bei euch oben auf dem Ofen, bei Morotzkij neben mir auf dem Boden. Jeder Hase hat mehr Schamgefühl, jeder Rammler treibt die Häsin in eine Ackerfurche. Nur ihr liegt schamlos herum, als sei ich ein Eunuche. Das geht nicht gut, Andrej!«
Es waren immer die gleichen Reden, man hatte sich daran gewöhnt. Anschließend tobte sich Putkin dann immer aus, hackte Löcher in die Eisdecke
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