Die Verdammten der Taiga
des Flusses, fällte Bäume, entastete sie, kerbte sie ein und setzte den Bau seiner Hütte fort, die – wenn sie fertig war – einer Festung gleichen würde.
»Mein Kreml«, sagte Putkin einmal, als er den anderen im Schnee sein Haus aufzeichnete. »Ein Millionär kann sich das leisten! Freunde, wir werden nicht ewig unentdeckt bleiben. Auch hierher kommen einmal jakutische Jäger … und was dann? Sie sehen das Gold, und schon beginnt der Krieg! Die Hölle beginnt, wo mehr als zwei Menschen zusammen sind …«
»Ein wahres Wort, Igor Fillipowitsch«, sagte die Susskaja und sah ihn dabei mit einem Blick an, daß er knurrte, sich erhob, den Grundriß seines Hauses im Schnee zertrat und sich zum Fluß absetzte.
Das Haus wuchs von Tag zu Tag. Putkin verwendete jede freie Minute daran, und das hatte seinen Grund nicht allein darin, daß er weg wollte aus der gemeinsamen Hütte, in der man sich paarte, als gehöre das zum Nachtisch, wie er einmal brüllte.
Ein anderer Grund war Morotzkij. Es entstand so etwas wie ein Wettrennen, denn Putkin hatte mit Morotzkij gewettet, daß er sein Haus schneller gebaut haben werde, als dieser die Elchkuh zum Reittier dressieren könne.
»Die Wette gilt!« hatte Morotzkij gesagt. »Sie verlieren sie, Igor Fillipowitsch. Maruta frißt mir schon aus der Hand …«
»Er nennt das Vieh Maruta!« schrie Putkin und warf die Arme in die Luft. »Maruta! Als ob es ein zierliches Mädchen wäre!« Aber von da an begann er, im Wald zu wüten, hackte Bäume um mit einer Wut, die an einen Urmenschen erinnerte, benutzte die Essenspausen dazu, Morotzkij bei der Arbeit mit der Elchkuh zuzusehen und beobachtete, wie das große Tier fröhlich mit den langen Lauschern wackelte, wenn Morotzkij in das Knüppelgehege trat.
»Es ist unheimlich –«, sagte Putkin einmal zu Andreas. »Ob Nadeshna oder die Elchkuh, die Weiber ergeben sich diesem Gerippe Semjon Pawlowitsch. Was ist das bloß, Andrej? Jeder, der ihn ansieht, würde für ihn sammeln, damit er mehr zu essen kriegt, und wer ihn sogar nackt sieht, ist versucht, ihn tröstend an sich zu ziehen und zu sagen: ›Auch das Winzige hat Berechtigung auf der Welt!‹ – Aber nein. Morotzkij kriegt die Weiber hin! Sieh dir die dämliche Kuh an! Wie sie schnaubt und ihm die fürchterlichen Hände leckt. Nur weil er rouh-rouh ruft –«
»Er hat's studiert«, lachte Andreas. »Beeile dich mit deinem Haus, Igor Fillipowitsch … sonst kommt Morotzkij eines Tages zu dir an die Baustelle geritten. Du hast nicht mehr viel Zeit. Semjon Pawlowitsch und Nadeshna konstruieren bereits aus Fellen einen Sattel …«
In den folgenden Tagen geschah Merkwürdiges.
Während Nadeshna und Morotzkij in seliger Umarmung schliefen und oben auf dem Ofen Andreas und die Susskaja, nackt wie immer, als die Hausherren die schwere Wärme durch ihre Glieder strömen ließen, schien Putkin von einem krankhaften Harndrang befallen zu sein.
Er verließ mehrmals in den Nächten das Haus, kehrte aber schnell wieder und rollte sich wieder an der Wand in sein Fell. Am nächsten Morgen hatte Morotzkij dann Mühe, seine Maruta zu beruhigen. Sie flüchtete vor ihm, blähte die Nüstern und benahm sich so, als sei sie gerade eingefangen worden. Am vierten Tag senkte sie sogar den Kopf und ging in Angriffsstellung.
Morotzkij verstand das nicht, setzte sich außerhalb des Geheges auf einen Stein und beobachtete die Elchkuh. Sie trabte unruhig hin und her, und wenn er die Hand hob und rouh-rouh rief, brach sie aus und flüchtete wieder.
»Tierpsychologisch ist das rätselhaft –«, sagte Morotzkij zu den anderen. »Maruta ist in eine Phase der Angstpsychose gekommen. Aber warum? Keiner tut ihr etwas, das Fressen ist wie früher, unser Geruch hat sich nicht verändert, die gleichen Stimmen sprechen sie an … ihre Verhaltensweise kann man nur durch einen Schock verursacht haben. Aber woher bloß? Woher?«
Am sechsten Tag fand die Susskaja die Antwort auf Morotzkijs verzweifelte Frage. Ein Zufall war's, wie ja die Zufälle meistens das Leben würziger machen, gleich Pfefferkörnern in einer Wurst. Wieder erhob sich Putkin mitten in der Nacht, warf seinen Pelz um und schlurfte leise hinaus. Katja lag wach neben dem tief atmenden Andreas, es war eine stille Stunde, ganz allein für sie, in der sie an das Kind dachte, das in ihr wuchs, und an die Jahre, die kommen würden. Jahre in der Taiga, von denen Andrej nichts ahnte, denn dieses Kind war eine Wurzel in Rußlands Boden, die niemand
Weitere Kostenlose Bücher