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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mehr herausreißen konnte, auch Andrej nicht mit seinem Traum von einem Leben in Deutschland.
    Was ist Deutschland, dachte sie. Ist es anders als Rußland? Fließen dort Milch und Honig von den Dächern und sind die Straßen mit Broten gepflastert? Was braucht der Mensch, um glücklich zu sein? Ein Dach, einen Ofen, ein Stück Land, eine Handvoll Saat, den Glauben an die eigene Kraft und den Mantel der Liebe. Wie kann er da noch hungern und frieren? Und braucht man Deutschland dazu, um so glücklich zu sein?
    Sie schob den Kopf über den Ofenrand und sah Putkin nach, der auf Zehenspitzen, wie ein Tanzbär, davonschlich. Es war jetzt das dritte Mal, daß er verschwand, und für die Susskaja begann Putkin ein medizinischer Fall zu werden. Man soll mit einer Blasenentzündung nicht umgehen wie mit einem Schnupfen.
    Sie glitt vom Ofen, warf ihren Pelzmantel über, schlüpfte in die Fellstiefel und ging Putkin nach. Draußen schlug ihr der Frost entgegen, und sie wollte schon rufen, daß es Irrsinn sei, bei dieser Kälte zu urinieren, als sie Putkin schnellen Schrittes zum Gehege stampfen sah. Er schob das Gatter auf, betrat das kleine Viereck, die Elchkuh schnaubte, stieß einige dumpfe Laute aus und flüchtete im Kreis. Aber Putkin war ihr gewachsen, rannte ihr nach und trat ihr ein paarmal kräftig in die Weichen. Es klatschte laut, als wenn man auf einen Sack schlägt, dann verließ Putkin wieder das Gehege, schloß das Gatter und kam zufrieden zum Haus zurück.
    Dort prallte er gegen die Susskaja, die an der Tür stand und ihn stumm ansah.
    »Hoho!« sagte Putkin und wollte sich an ihr vorbei ins Haus drängen. »Ist es schon so weit, Katja Alexandrowna, daß Sie die Männer beim Pinkeln beschleichen? Ihr Interesse ehrt mich …«
    »Bleiben Sie stehen, Sie Schwein!« sagte die Susskaja kalt. »Morotzkij verliert den Glauben an die Tiere, weil er sie nicht mehr versteht … und Sie schleichen nachts herum und mißhandeln Maruta und machen Morotzkijs Arbeit zunichte. Welch ein Lump sind Sie doch, Putkin!«
    »Das ist ein legitimes Mittel, Katja. Wir stehen in einem Zweikampf, bei dem alle Tricks erlaubt sind. Warum liegt Semjon Pawlowitsch auf Nadeshna, statt mein Haus in dieser Zeit zu vernichten?«
    »Weil er zu anständig ist. Sie aber sind ein Dreck!«
    »Werden Sie es Morotzkij sagen, Katja Alexandrowna?«
    »Natürlich.«
    »Wie Sie wollen!« Putkin schob die Susskaja von der Tür. »Morotzkij wird mit Messern nach mir werfen, ich werde ihm deshalb den Schädel zerdrücken, es wird ein lustiges Treiben werden, bei dem wir uns alle gegenseitig vernichten. Katja, Sie sind ein humorloser Mensch. Ich habe Semjon Pawlowitsch nur einen Streich spielen wollen …«
    Die Susskaja schwieg über die Begegnung, aber sie wachte zwei Nächte lang und lauerte auf Putkin. Er verlor plötzlich seinen Harndrang und blieb im Haus. Aber Putkins Vorsprung im Hausbau gegenüber Morotzkij's Elchkuhdressur war nicht mehr aufzuholen … Igor Fillipowitschs ›Kreml‹ wuchs zu einem klobigen Gebäude heran, und nach sieben Tagen fehlte nur noch das Dach.
    Was allerdings dann geschah, war ein neuer Beweis von Putkins eigenem Humor. An diesem Morgen war niemand mehr am Fluß als Nadeshna und Putkin. Morotzkij wagte ein großes Experiment: Er ging mit Maruta spazieren, führte sie an einer Art Halfter hinter sich her und hinkte in den Wald hinein. Es war klar, daß Morotzkij verlieren würde, wenn die Elchkuh sich losreißen würde, die Weite und die Freiheit witternd. Sie blickten ihm alle nach, schweigend, um Maruta nicht zu erschrecken, und bewunderten Morotzkij, der mit seinem röhrenden rouh-rouh der Elchkuh voraushumpelte wie ein Clown.
    Dann machten sich Andreas und die Susskaja auf den Weg, um die Fallen abzugehen und die Beute einzusammeln. Mit Putkins großer Klappfalle hatten sie schon zwei Füchse gefangen, dick im Fell, große Burschen, die verzweifelt um sich bissen, ehe Katja sie erschoß. Sie tat das ruhig, mit gespreizten Beinen dastehend, wie ein alter jakutischer Jäger, mitleidlos … und Andreas starrte sie an und erkannte sie in diesen Momenten nicht mehr.
    Nun waren also Putkin und Nadeshna allein, Putkin hämmerte in seinem Haus herum, und Nadeshna briet einen Hasenrücken, gespickt mit Rentierspeck. Es roch bis zu Putkin hinüber, und es war ein Duft, der ihn an Geborgenheit erinnerte, an Zufriedenheit, an eine Frau, die für ihn da war.
    »Nadeshna!« rief er und winkte aus dem breiten Loch in der Hauswand, wo

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