Die Verdammten: Endzeit-Thriller (German Edition)
Er sah, wie sie ihn nach unten drückten, bis ein weiterer Baumbewohner zu ihnen trat. Der ältere Mann hatte dicke rote Haare, die ihm bis zu den Schultern hinabfielen. In seinem rechten Arm hielt er eine Machete.
»Ich kann nicht hinsehen«, meinte die Frau und wandte sich ab.
Nick wollte sich ebenfalls abwenden, war aber auf morbide Weise wie gebannt.
Die gerade erst aufgewachten Gefangenen starrten zwischen den Holzstäben hindurch und warteten auf den Mord, der sich jede Sekunde ereignen musste.
Ist es Mord, wenn es keine Gesetze gibt, die besagen, dass es falsch ist?, fragte sich Nick, und dann hielt er den Atem an, als der ältere Baumbewohner seine Machete schwang.
Scott winselte, und ein nasser Fleck tauchte hinten auf seiner Jeans auf.
Der Baumbewohner ließ die Machete herabsausen und sie glitt butterweich durch Scotts Stirn.
Scotts Körper zuckte ein paarmal, als seine Schädeldecke zu Boden fiel.
Blut spritzte auf die Plattform, begleitet von einem Klumpen matschigem Hirn.
»Mein Gott«, murmelte der Teenager, stürmte in eine Ecke des Käfigs und rollte sich ganz fest zu einer Kugel zusammen.
Nick fühlte sich ganz schwach, und als der ältere Baumbewohner »Frühstück!« rief, setzte er sich auf den Boden des Käfigs und drehte sich von dem Massaker weg.
Er bemühte sich, die Geräusche von rund einem Dutzend hungriger Baumbewohner auszublenden, die sich den Bauch mit dem Hirn und dem warmen Fleisch des armen verwirrten Scott vollschlugen. Es gelang ihm nicht.
Das Schmatzen und Kauen ließen sich unmöglich ignorieren.
Nicht einmal der tosende Wind und das wütende Donnergrollen waren laut genug, um die schrecklichen Geräusche zu übertönen.
Doch irgendwann fand das Festmahl ein Ende, und Nick war dankbar, als die männlichen Baumbewohner die Siedlung nach und nach verließen.
Er beobachtete, wie sie an den zahlreichen Lianen hinabrutschten, die sich um die Bäume wickelten, wie eine Meute langhaariger, ungewaschener Feuerwehrmänner, die bei einem Notruf ausrückten. Sie kreischten wie eine Schar überreizter Affen und in ihren Gürteln steckten zahlreiche Waffen.
»Auf Nimmerwiedersehen«, sagte der Mann mit dem explosiven Darm. »Ich hoffe, dass sie euch alle abschlachten!«
Als die Baumbewohner halb hinuntergeklettert waren, schwangen sie sich von Liane zu Liane und wurden schon bald vom dichten Grün des Dschungels verschluckt.
Ben hörte sie, noch ehe er sie sehen konnte.
Ihre laschen Versuche furchteinflößender Kampfschreie schnitten durch die Stille des Morgens, und aufgrund der Lautstärke nahm Ben an, dass sie ungefähr zu zehnt sein mussten.
Mehr als dreimal so viele wie in der vergangenen Nacht.
Er und Josephine waren nur zu zweit: Die Chancen standen nicht gut.
Ben hatte mit einem Angriff am frühen Morgen gerechnet. Er war vor Sonnenaufgang aufgestanden und hatte sämtliche Waffen hoch in den Glockenturm geschafft. Außerdem hatte er draußen mehrere schwere Steine zusammengesammelt. Er erwartete zwar nicht, dass die Baumbewohner es schafften, in seinen Bau einzudringen, aber falls es ihnen doch irgendwie gelang, wollte er sich mit Knirps und Josephine in den Glockenturm zurückziehen. Dort lagerten all seine Waffen, und von hier aus konnte er Steine auf alle Baumaffen schleudern, die den törichten Versuch unternahmen, den Turm zu erklimmen.
Josephine hatte die ganze Zeit über geschlafen, während er die Vorbereitungen für den Angriff getroffen hatte, und sie war immer noch nicht aufgewacht.
Am bewölkten Morgenhimmel zog leichter Nebel auf. Ben konnte die Baumbewohner erst sehen, als sie den Fluss bereits hinter sich gelassen hatten.
Die Meute der Baumaffen tauchte aus dem weißen Nebel auf und schwang sich anmutig von Liane zu Liane.
Ben zählte sie durch – er hatte goldrichtig gelegen. Es handelte sich um etwa die Hälfte der erwachsenen Männer, die in der benachbarten Baumsiedlung lebten.
Ben eilte über das Dach und zur Liane hinüber.
Er kletterte am Turm hinab, schlüpfte durch das Fenster und rannte über die steinernen Stufen nach unten.
Er stürzte in den Hauptbereich seines Baus.
»Steh auf! Steh auf!«, brüllte er.
Knirps war bereits wach. Ben hatte ihm befohlen, sitzen zu bleiben, und er hockte noch immer an derselben Stelle. Der Dingo sprang auf.
Auch Josephine rührte sich. »Was ist denn los?«, stöhnte sie.
»Die Baumaffen kommen. Es sind zehn. Schnapp dir deine Waffe und mach dich bereit.«
Josephine rappelte sich auf.
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