Die Verfluchte
einzelne Frau ihn seit Jahrhunderten wieder und wieder zwang. Er würde Rose töten. Mit seinen eigenen Händen. Weil sie es so wollte. Die Morrigan.
„Branwen!“ Der Name kam über seine Lippen wie ein Schrei. Er schwankte, kämpfte gegen die Macht, die ihn auf die Beine treiben und hinter Rose herlaufen lassen wollte. „Branwen!“, schrie er erneut und rammte das Messer mit aller Kraft in den Boden vor seinen Füßen.
Die Frau mit den wirren, schwarzen Haaren und den leuchtend bernsteinfarbenen Augen richtete sich mit einem Ruck auf.
„Branwen?“ Verwirrt rückte Vincent von ihr ab. Er war gerade dabei gewesen, mit der Zunge um ihren Bauchnabel zu fahren. Die Seidenlaken unter seinem verschwitzten Körper knisterten leise, als er sich aufrichtete. Auf dem Gesicht der schwarzhaarigen Frau lag ein Ausdruck, den er nicht zu deuten wusste. „Was hast du?“, fragte er.
Branwen hatte Vincent an der Hotelbar angesprochen, und er hatte es kaum glauben können, dass eine Frau wie sie sich für ihn interessierte. Er war ein unscheinbarer Handelsreisender mit beginnender Glatze und Bauchansatz, der seine Tage damit verbrachte, Staubsauger zu verkaufen – und der die Abende meistens in seinem schäbigen Hotelzimmer hockte und dort allein eine Flasche billigen Rotweins leerte. Heute jedoch hatte er sich nach einem guten Geschäfte damit belohnt, dass er in die Hotelbar gegangen war. Und dort hatte sich diese unglaubliche Frau zu ihm gesetzt: mehr als einen Kopf größer als er, gertenschlank mit Rundungen genau an den richtigen Stellen. Sie trug ein eng anliegendes, schwarzes Kleid, und jedes Mal, wenn sie sich vorgebeugt hatte, um einen Schluck von dem Martini zu trinken, den er ihr spendiert hatte, hatte sie ihm einen großzügigen Blick in ihren Ausschnitt gewährt. Das silberne Amulett war ihm aufgefallen, das auf dem Ansatz ihrer vollen Brüste ruhte. Irgendwas Keltisches mit einem roten Stein in der Mitte. Ihr BH verhüllte ihren Busen nur unzureichend, und er hatte den Anblick genossen.
Erst hatte er sie für eine Prostituierte gehalten.
Zaghaft hatte er eingewendet, dass er sich ihre Preisklasse kaum leisten könne, aber da hatte sie nur gelächelt und war ihm mit ihrem langen, blutrot lackierten Fingernagel über den Reißverschluss seiner Anzughose gefahren. Als sie seine entsprechende Reaktion gespürt hatte, hatte sie gelacht, und ihm war heiß geworden.
„Ich will kein Geld von dir“, hatte sie ihm mit ihrer dunklen Stimme versichert, und der gierige Blick ihrer bernsteinfarbenen Augen hatte ihm klargemacht, dass das der Wahrheit entsprach.
Sie hatte ihm ihren Namen genannt, und er hatte sein Glück kaum fassen können, als sie vorgeschlagen hatte, mit ihr in ihr eigenes Hotel zu gehen ...
Jetzt jedoch, in dem großen Bett des Fünf-Sterne-Hotels, blickte Branwen wie erstarrt in die Ferne. Ganz abwesend wirkte sie plötzlich. Und dann – übergangslos – wurde ihre Miene finster. Finster und so zornig, dass er schon fürchtete, an eine Psychopatin geraten zu sein. Würde sie ihn jetzt ins Jenseits befördern wie diese Frau mit dem Eispickel in diesem erotischen Film – wie hieß er noch? Vincents Gedanken wirbelten, doch zu seiner Erleichterung schien sich Branwens Zorn auf einen anderen Mann zu richten.
„Alan“, zischte sie. „Du Mistkerl!“
Zorn wallte in Branwen auf, als sie spürte, dass Alan sich in Roses Nähe befand. Er war bei Rose, und er weigerte sich, das zu tun, zu dem er seit zweitausend Jahren durch ihren Willen gezwungen war: Rose zu töten! Er war im Laufe der Jahrhunderte immer besser darin geworden, sich gegen ihren Einfluss zur Wehr zu setzen. Wenn er so weitermachte, konnte sie ihn bald nicht mehr aus der Ferne dirigieren, sondern würde ihm auf Schritt und Tritt folgen müssen, um ihm erfolgreich ihren Willen aufzuzwingen.
Branwens Blick wanderte durch das Fenster des teuren Hotelzimmers, während dieser Kerl, den sie in der Bar aufgegabelt hatte, sie beunruhigt ansah. Der Mond stand hell und fast voll am Himmel.
Branwen unterdrückte ihren Zorn. Warum eigentlich nicht? , dachte sie. Gönnte sie doch den beiden armen Liebenden eine Nacht, bevor sie Alan daran erinnerte, was seine Bestimmung war. Sie wandte den Kopf und sah dem Trottel in ihrem Bett in die Augen. Wie war noch mal sein Name gewesen? Egal! Sie hatte ihn eigentlich nur mit auf ihr Zimmer genommen, weil sie seinen ungläubigen, hündischen Ausdruck genoss. Eigentlich hatte sie vorgehabt, etwas
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