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Die Verfluchte

Die Verfluchte

Titel: Die Verfluchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Gavilan
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ihn vergangene Nacht getroffen.“
    Enora stellte ihre Kaffeetasse ab und schwieg lange. In ihren feinen Zügen arbeitete es. Wahrscheinlich grübelte sie darüber nach, wie sie ihre beste Freundin auf schnellstem Weg in die nächste Klapsmühle bringen konnte.
    Endlich hielt Rose das Schweigen nicht mehr aus. „Wahrscheinlich bin ich durchgeknallt! Ich glaube, ich schlafwandle.“ Sie zeigte Enora ihre Hand mit den Dornenverletzungen. „Aber diese Träume von diesem ... Kelten sind irgendwie hyperrealistisch.“
    Enora sagte noch immer nichts.
    „Ich möchte fort von hier“, hörte Rose sich sagen. Ein Teil von ihr, jener Teil, der sich vor dem Realitätsverlust fürchtete, meinte es wirklich so. Aber der andere Teil, der weitaus größere, schrie gleichzeitig: Nein! Bloß nicht! Dieser Teil wollte nichts sehnlicher, als sofort hinunter zum Weiher zu gehen in der Hoffnung, Alan dort wiederzutreffen.
    Lauf! , hatte er gesagt. Geh weg, wenn du nicht sterben willst.
    Rose senkte den Kopf. Es war alles einfach nur verrückt!
    Endlich räusperte sich Enora. „Lass uns nach Carnac fahren“, schlug sie vor. „Wir sehen uns die Menhire an, und wenn du morgen früh noch immer wegwillst, dann fahren wir zurück nach Paris. In Ordnung?“
    Nein! , gellte der vernünftige Teil von Rose. Ich will sofort weg von hier! Ich will nicht noch eine Nacht hier sein. Eine Nacht, in der der Vollmond am Himmel steht und ich schlafwandle und von einem potenziell tödlichen, unendlich sexy aussehenden Mann mit Rabenhaaren träume ...
    Ja! , sagte der andere, der größere Teil. Ja! Lass uns den Tag hier in der Gegend verbringen, damit ich nächste Nacht hinunter zum Weiher gehen kann ...
    Sie schwankte, doch dann nickte sie. „In Ordnung“, sagte sie. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder entsetzt sein sollte.
    Sie sah Enora an, suchte in ihrem Blick nach einer Regung. Täuschte sie sich, oder wirkte ihre Freundin beunruhigt?
     
    Alan lehnte mit der Schulter im Türrahmen einer kleinen Ruine, die auf der gegenüberliegenden Seite des Weihers lag und in der er den Rest der Nacht verbracht hatte. Er starrte blicklos auf das Wasser hinaus. Morgennebel bildete verschlungene, rätselhaft aussehende Wirbel über dem Wasser. Das Herz in seiner Brust schlug mit der Kraft eines galoppierenden Pferdes, und es fühlte sich an, als würden seine Rippen von innen heraus gesprengt werden.
    Rose hatte sich an seinen Namen erinnert, obwohl das eigentlich unmöglich war. Enora hatte ihm versprochen, dass sie sich an nichts erinnern würde, auch nicht an ihn. Sie würde in Frieden leben können, das war der Plan gewesen, und zweieinhalb Jahre lang schien er auch gut funktioniert zu haben.
    Bis jetzt.
    Alan hatte keine Ahnung, warum Rose sich plötzlich doch an ihn erinnerte, aber eines wusste er: Noch war es nicht zu spät. Sie war ihm nur ein einziges Mal begegnet, und in ihren Augen hatte er gesehen, dass sie ihrem eigenen Verstand nicht traute. Wenn er jetzt fortging und nicht wiederkehrte, würde sie leben können. Sie würde die Begegnung mit ihm für einen Traum halten und irgendwann hoffentlich wieder vergessen.
    Fortgehen. Nicht zu Rose zurückkehren. Er biss die Zähne zusammen, weil ihm klar war, dass ihm das niemals gelingen würde. Und das bedeutete, es gab nur noch einen anderen Ausweg.
    Wenn er jetzt starb ...
    Er tastete nach dem Springmesser in der Jeanstasche und zog es hervor. Einen Moment starrte er darauf, dann ließ er die Klinge aufschnappen. Das fahle Morgenlicht spiegelte sich in der scharf geschliffenen Schneide. Er umfasste den Griff fester und richtete die Klinge gegen seinen eigenen Hals.
    Seine Hand zitterte.
    Ein Stoß nur. Er wusste, wo die Stelle saß, die er treffen musste. Er war Krieger. Er hatte schon viele Männer auf diese Weise in die jenseitige Welt befördert.
    Er drückte die Klinge fester in sein Fleisch.
    Seine Hand zitterte stärker, aber er spürte, wie der dünne Stahl durch seine Haut schnitt und Blutstropfen daraus hervorquollen. Er war stark. Stark für Rose. Er straffte die Schultern.
    Er machte sich bereit, seinem Leben ein Ende zu setzen, doch gerade, als er die Augen schloss, um einen letzten Atemzug zu tun, erklang eine leise Stimme hinter ihm.
    „Du darfst das nicht tun!“
    Seine Hand sank herunter. Das Messer entglitt seinen Fingern und landete mit einem leisen Poltern auf dem Lehmfußboden. Resigniert senkte Alan den Kopf, dann hob er ihn wieder. Erst jetzt öffnete er die

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