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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatten, wie es überhaupt nur ging. Wenn sie zurückkehrten - egal ob
mit oder ohne Geld -, dann würde alles nur sehr viel schwieriger
werden.
So schnell, wie sie es gerade noch konnten, ohne noch weiter aufzufallen, setzten sie ihren Weg fort und näherten sich schließlich dem
Ausgang des Marktes. Andrej fiel eine Gruppe uniformierter Männer
auf, die vorher noch nicht da gewesen war. Er fuhr erschrocken zusammen, als er einen der Burschen erkannte, die er zuvor vom Stand
des Sklavenhändlers hatte weglaufen sehen. Er redete ruhig mit einem von ihnen, und zumindest der Miene und Körperhaltung des
Mannes war nichts Alarmiertes anzusehen. Aber er hörte sehr aufmerksam zu, und als Andrej und Abu Dun in wenigen Schritten Abstand an ihnen vorübergingen, folgte ihnen sein Blick. Nicht lange,
aber eben doch aufmerksam genug, um Andrejs Beunruhigung weiter
zu schüren.
Wie viele Fehler würde er noch machen, dachte er, bis diese Geschichte vorüber war?
    »Dreihundert Dinar?« Mustafas entsetztem Gesichtsausdruck nach
zu urteilen, hatte er gerade einen weiteren Fehler begangen; und
diesmal vielleicht den schwersten überhaupt. Der fettleibige Kaufmann starrte ihn aus aufgerissenen, hervorquellenden Augen an und
wiederholte dann noch einmal deutlich aufgebrachter: »Dreihundert
Dinar? Bist du von Sinnen, Andrej?«
    Abu Dun hatte hinter Mustafa Aufstellung genommen, nur für den
Fall, dass dieser in Ohnmacht fiel. Andrej hatte das für einen Scherz
gehalten, nun aber fragte er sich, ob Abu Dun nicht vielleicht Recht
gehabt hatte. Abu Dun warf ihm einen mitleidigen Blick und ein angedeutetes Ich-habe-es-dir-ja-gleich-gesagt-Schulterzucken zu. Mustafa keuchte noch einmal und schüttelte dann so heftig den Kopf,
dass sein Turban verrutschte und er ihn mit einer hastigen Bewegung
festhalten musste. »Ich bitte dich. Du musst mich für verrückt halten,
Andrej. Oder für dumm. Warum, bei Allah, sollte ich dir eine solche
Summe leihen? Und wofür?«
    »Wofür kann ich Euch nicht sagen, Mustafa«, antwortete Andrej,
und das Unbehagen, das er bei diesen Worten empfand, musste er
nicht spielen; es war echt. Andrej war im Laufe seines langen, bewegten Lebens mehr als einmal in der Situation gewesen, mittellos
zu sein und andere um Hilfe bitten zu müssen, aber er hatte sich nie
daran gewöhnt und hasste es heute wie am ersten Tag. Trotzdem fuhr
er mit demütig gesenktem Kopf und in bittendem Tonfall fort: »Ich
kann es Euch nicht erklären. Ich kann Euch nur versichern, dass es
wichtig ist.«
    »Wichtig, so.« Mustafas Blick wurde lauernd. »Nur mal angenommen - was noch keine Zusage ist - ich wäre bereit, dir diese Summe
vorzustrecken… wie willst du sie zurückzahlen, und welche Sicherheiten kannst du mir bieten?«
    Andrej musste sich auf die Zunge beißen, um nicht auszusprechen,
wonach ihm zumute war. »Ich biete Euch meine und Abu Duns
Dienste für ein Jahr als Gegenleistung.« Abu Dun zog die linke Augenbraue hoch, sagte zu seiner Erleichterung aber nichts, und Andrej
fügte hinzu: »Kostenlos.«
    Bei dem Wochenlohn, den Mustafa ihnen zahlte, wäre ihr Lohn
weitaus höher als die Summe, um die Andrej ihn gebeten hatte. Dennoch wirkte der Kaufmann nicht beeindruckt. »Kostenlos?«, wiederholte er und schüttelte - nun vorsichtiger - den Kopf. »Aber ihr hättet
dann nichts mehr, um für euer Quartier aufzukommen, für Essen und
Trinken und alles andere, was ein Mann braucht. Ich musste dafür
bezahlen. Das Leben ist teuer, mein Freund. Ich hätte keinen Verdienst, sondern würde im Gegenteil draufzahlen, und dabei haben wir
die Frage der Sicherheit noch gar nicht angesprochen. Wer sagt mir,
dass ich nicht eines Morgens aufwache und ihr beide verschwunden
seid?«
    Das kam dem nahe, was Andrej ohnehin geplant hatte, und zwar
nicht für eines Tages, sondern für den nächsten oder spätestens übernächsten Tag, aber die Behauptung ärgerte ihn trotzdem. Er fragte
sich, warum er Mustafa nicht einfach bei den Füßen packte und so
lange kopfüber schüttelte, bis all das ergaunerte und erschwindelte
Geld aus den Taschen des protzigen Mantels fiel, in den er sich gehüllt hatte.
    Der Gedanke hatte einen gewissen Reiz. Andrej gab ihm jedoch
nicht nach - noch nicht -, sondern sagte nur, so ruhig und ernst, wie
er konnte: »Ihr habt mein Wort, Mustafa. Und das Abu Duns.«
    Mustafa Bo sah ihn eine ganze Weile schweigend an und schien
während dieser Zeit tatsächlich über sein Angebot

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