Die Verfluchten
nachzudenken.
Dann aber machte er ein bedauerndes Gesicht und schüttelte erneut
den Kopf. »Es tut mir Leid, Andrej. Aber das kann ich nicht machen.
Es ist nicht so, dass ich dir nicht traue. Dein Wort und das deines
Freundes sind die Summe allemal wert, die du brauchst. Aber die
Wahrheit ist, dass ich sie nicht habe. Zumindest im Augenblick
nicht.«
Andrej sah sich zweifelnd in dem großen, von zahllosen Kerzen
fast taghell erleuchteten Raum um. Nach ihrem Abstecher auf den
Sklavenmarkt waren sie zurück zu der Herberge gegangen, in der
Mustafa Quartier bezogen hatte, hatten ihn aber dort nicht angetroffen, sondern nur eine Nachricht, die sie zu einem anderen, weit besseren Gasthaus in einem vornehmen Viertel der Stadt befahl, wohin
Mustafa Bo offensichtlich umgezogen war. Er hatte seinem Geschäftspartner für diesen Abend ja eine große Feier versprochen, und
er war ganz offensichtlich entschlossen, dieses Versprechen auch
einzuhalten. Das Zimmer, in das er sie geführt hatte, war ein gutes
Stück größer als die Räume, die er selbst, Andrej und Abu Dun in
ihrem vorherigen Quartier zusammen gehabt hatten, und mit schon
fast verschwenderischer Pracht ausgestattet. Überall brannten Kerzen. In kleinen Kupferschalen verbrannten Kräuter, die die unterschiedlichsten Wohlgerüche verströmten, und es gab kostbare Stoffe
und kunstvoll geschnitzte Möbel, wohin man auch sah. Von irgendwoher drang Bratenduft, der Andrej daran erinnerte, dass er seit dem
Morgen nichts mehr gegessen hatte.
Anscheinend war es tatsächlich nicht besonders schwer, in seinem
Gesicht zu lesen. Mustafa wirkte einen Atemzug lang fast verlegen,
dann trotzig. »Ich weiß, was du sagen willst«, sagte er, bevor Andrej
dazu kam. »Aber man muss nun einmal einen gewissen Stil pflegen,
wenn man Geschäfte mit wichtigen Leuten tätigen will. Dies hier hat
meine gesamte restliche Barschaft aufgezehrt, fürchte ich; zumindest
alles, was mir im Moment zur Verfügung steht.«
Andrej sagte immer noch nichts, doch Mustafa machte plötzlich einen nervösen, kleinen Schritt zurück und fuhr in entschuldigendem
Tonfall fort: »Selbstverständlich wird sich das ändern, sobald die
Steine fertig geschliffen sind und ich sie verkaufen kann. Ich bin ein
reicher Mann, Andrej, nur sind meine Mittel im Moment… wie soll
ich sagen… festgelegt.«
Als Andrej auch darauf nichts erwiderte, wurde er sichtlich noch
nervöser. Er wollte einen weiteren Schritt zurückweichen, prallte
dabei aber gegen Abu Dun und warf einen erschrockenen Blick über
die Schulter in das Gesicht des Nubiers.
»Ich bin sicher, es wird nur wenige Tage dauern, bis ich wieder
flüssig bin. Ich mache dir einen Vorschlag: Gedulde dich so lange,
und wir sprechen dann noch einmal über deine Bitte. Vielleicht finden wir einen Weg, wie ich dir helfen kann.«
Andrej blickte ihn weiter an, aber auf eine Art, die Mustafas Nervosität nahezu explodieren ließ. Dabei war er nicht einmal zornig auf
den Händler. Der Zorn, den er spürte, galt sich selbst und dem Umstand, sich so weit erniedrigt zu haben, diesen widerlichen Fettsack
um Hilfe anzuflehen.
Mit einem Ruck wandte er sich ab und ging zur Tür, um daneben
Aufstellung zu nehmen, wie es die Aufgabe eines Leibwächters war.
Abu Dun zögerte noch einen Moment, aber dann nahm er Aufstellung auf der anderen Seite, während Mustafa es plötzlich sehr eilig
hatte, im angrenzenden Zimmer zu verschwinden, wo sein Schlafgemach untergebracht war.
Andrej war wütend; nicht auf Mustafa, von dem er schließlich
nichts anderes hatte erwarten können, sondern darüber, so naiv gewesen zu sein, es überhaupt versucht zu haben.
Vielleicht hatte Abu Dun Recht, dachte er bitter, und er wurde allmählich alt.
Seine Gedanken kreisten beständig um den Sklavenmarkt und das,
was sie dort gefunden hatten, und um die Frage, wie Meruhe dorthin
gekommen war, was ihr widerfahren war und was man ihr angetan
haben mochte. Aber er konnte auch den Blick nicht vergessen, den
sie ihm zugeworfen hatte, und die Erkenntnis - so widersinnig sie
ihm vorkommen mochte -, dass letzten Endes sie es gewesen war, die
dem Sklavenhändler offensichtlich den Rat gegeben hatte, Abu Dun
nach seinem Geld zu fragen, wurde zur Gewissheit. Sie hatte nicht
gewollt, dass sie sie freikauften.
Die Zeit verging. Zweimal wurde an die Tür geklopft, und Bedienstete kamen herein, um große silberne Tabletts voller Speisen zu bringen, unter denen sich der
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