Die Verfluchten
niedrige Tisch in der Mitte des Zimmers
bald schier durchzubiegen schien. Jedes Mal tauchte Mustafas Kopf
kurz unter der Tür auf und verschwand dann ebenso rasch und enttäuscht wieder, wenn er sah, dass es nicht die Gäste waren, die er
zum Abendessen erwartete. Dann jedoch, schon ein gutes Stück nach
dem Dunkelwerden, hörten sie draußen schwere, polternde Schritte,
und noch bevor sie die Tür erreicht hatten, kam Mustafa ebenfalls
zurück.
»Das müssen unsere Gäste sein«, erklärte er aufgeregt. »Sie sind
spät dran, aber sie kommen. Schnell, Andrej, lass sie ein. Und sei
bitte zuvorkommend und mach nicht ein solches Gesicht. Wir wollen
heute Abend fröhlich sein. Ich gebe dir mein Wort, dass ich noch
einmal über deine Bitte nachdenken werde.«
Andrej drehte sich mit steinernem Gesicht um, öffnete die Tür und
zog fragend die Augenbrauen zusammen. Es war Salil, aber er machte nicht unbedingt den Eindruck, als wäre er zum Feiern gekommen.
Sein Gesicht war angeschwollen, und in seinem Mundwinkel klebte
ein wenig verschorftes Blut. Er trug noch immer denselben schäbigen Kaftan wie am Mittag, nur dass er jetzt an mehreren Stellen eingerissen und mit dunklen Flecken besudelt war, von denen etliche
ebenfalls nach eingetrocknetem Blut aussahen.
Und er war nicht allein. In seiner Begleitung befanden sich mehrere
Männer in den gleichen Uniformen, wie Andrej sie schon am Nachmittag auf dem Sklavenmarkt gesehen hatte. Ihre Hände lagen auf
den Waffen, und sie hatten den wachen Gesichtsausdruck von Männern, die nicht nur wussten, was sie taten, sondern ihre Aufgabe auch
sehr ernst nahmen.
»Salil«, rief Mustafa aus und kam mit ausgebreiteten Armen und
einem strahlenden Lächeln herbeigeeilt. »Was für eine Ehre,
Euch…«
Er blieb stehen und stockte mitten im Wort; Überraschung nahm
die Stelle gespielter Freundlichkeit auf seinen Zügen ein; dann
Schrecken. »Was bedeutet das?«
Said kam nicht dazu, zu antworten, denn der Mann hinter ihm versetzte ihm einen unsanften Stoß, der ihn an Andrej und Abu Dun
vorbei ins Zimmer stolpern ließ, folgte ihm aber auch unmittelbar auf
dem Fuß. Hinter ihm drängten vier weitere, gleichartig gekleidete
Männer herein, und Andrej sah, dass sich draußen auf dem Gang
noch mindestens zwei weitere aufhielten, wenn nicht mehr. Andrej
spürte, wie Abu Dun sich anspannte, und warf ihm einen raschen,
warnenden Blick zu.
»Salil, was bedeutet das?«, fragte Mustafa. »Wer sind diese Männer?«
Salil wollte antworten, doch der Mann hinter ihm kam ihm zuvor,
indem er mit einer herrischen Geste auf Mustafa deutete und fragte:
»Ist er das?«
Salil nickte, und der Fremde trat nun an seine Seite und wandte sich
direkt an Mustafa. Seine Begleiter verteilten sich rasch im Zimmer,
und zwar so, dass jeweils zwei von ihnen Andrej und Abu Dun abschirmten. »Ihr seid Mustafa Bo, der Kaufmann?«, fragte er.
Mustafa, der mittlerweile vollkommen ratlos aussah - aber auch in
zunehmendem Maße nervös -, fuhr sich unsicher mit der Hand über
das Kinn und nickte. »Ja. Aber wer…?«
»Mein Name ist Arslan«, antwortete der Fremde. »Ich bin Hauptmann der Stadtwache, und Ihr werdet nur reden, wenn ich Euch eine
Frage stelle.«
Auch noch das letzte bisschen Farbe wich aus Mustafas Gesicht, er
sog scharf die Luft ein und machte instinktiv einen Schritt zurück,
doch Arslans Aufmerksamkeit löste sich bereits wieder von ihm und
wandte sich nun zuerst Andrej und dann, einen Moment länger, Abu
Dun zu. Andrej versuchte vergeblich in seinem Gesicht zu lesen. Der
Hauptmann sah nicht aus wie ein Mann, der auch nur wusste, was
das Wort Freundlichkeit bedeutete, aber er hatte sich ausgezeichnet
in der Gewalt. Aufmerksam betrachtete er Abu Dun und ihn, dann
wandte er sich wieder an Salil.
»Sind das die beiden?«
»Ja, Herr«, antwortete Salil hastig.
»Was bedeutet das?«, wollte Andrej wissen.
»Das bedeutet dasselbe, was ich eurem Herrn gesagt habe«, erwiderte Arslan ruhig. »Ihr redet nur, wenn ihr gefragt werdet.«
»Aber… aber was geht denn hier vor?«, stammelte Mustafa. Er begann so hektisch mit den Händen zu ringen, dass man seine Gelenke
knacken hören konnte. »Salil, ich beschwöre Euch! Was hat das zu
bedeuten?«
Salil sagte nichts, aber Arslan fuhr mit einer abrupten Bewegung
herum und sah ihn so kalt an, dass Mustafa erneut einen Schritt vor
ihm zurückwich. Er sah plötzlich aus wie eine Maus, die eine Katze
gesehen hatte, und weit und breit kein
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