Die Verfluchten
Hälfte seines Gesichts war blutüberströmt, was daran liegen
mochte, dass ein guter Teil seiner Unterlippe fehlte. Andrejs Schwert
sprang wie von selbst in seine Hand. Die Wachen hinter Meruhe zogen ihre Waffen, und auch hinter Andrej und Abu Dun erklang das
Scharren von Metall, dann trappelnde, schnelle Schritte. Faruk
schlug kreischend die Hände vor das Gesicht, was den Strom von
hellrotem, frischem Blut, das nun zwischen seinen Fingern hindurchquoll, aber eher noch zu verstärken schien. Der Krieger, der seine
Waffe als Erster gezogen hatte, sprang auf Meruhe zu und ließ das
Schwert niedersausen. Andrej versuchte mit einer verzweifelten Bewegung, zwischen ihn und Meruhe zu gelangen, um seinen Hieb abzufangen - mit seiner eigenen Waffe oder, wenn es sein musste, mit
bloßen Händen, spürte aber bereits, dass er nicht schnell genug sein
würde.
Obwohl Andrej sie direkt ansah, begriff er nicht, was Meruhe tat.
Von einem Lidschlag zum anderen schien sie sich in einen Schatten
zu verwandeln, der sich schneller bewegte, als selbst Andrejs Augen
ihm folgen konnten. Der Hieb des Mannes ging ins Leere, und im
nächsten Augenblick war es Meruhe, die die Waffe in der Hand hielt.
Sie ließ ihm sogar noch die Zeit, einen verblüfften Blick auf seine
plötzlich leere, rechte Hand zu werfen, dann schleuderte sie das
Schwert in hohem Bogen davon und machte erneut eine dieser unglaublich schnellen Bewegungen. Der Gardist griff sich mit beiden
Händen an den Hals und sank gurgelnd und vergeblich nach Luft
ringend zusammen.
Und dann brach in dem großen Raum endgültig die Hölle los.
Andrej versuchte nicht mehr zu denken, sondern überließ einfach
dem Krieger in sich das Kommando über seinen Körper und seine
Handlungen. Irgendwo hinter ihm drosch Abu Dun brüllend mit seinem gewaltigen Krummsäbel auf die Männer ein, die sich auf ihn zu
stürzen versucht hatten, und auch Andrej sah sich von gleich drei
Gardisten bedrängt. Instinktiv wich er zurück und verschaffte sich
mit ein paar wuchtigen Hieben Luft, doch schon die ersten, flüchtigen Berührungen, mit denen ihre Schwerter zusammenprallten,
machten ihm klar, wie aussichtslos dieser Kampf war. Die Männer,
die Faruk zu seiner persönlichen Bewachung abgestellt hatte, waren
zweifellos die besten, über die er gebot, und die Übermacht war einfach zu groß. Andrej brachte einen Treffer an, wurde aber auch
gleichzeitig selbst getroffen und wäre fast gestürzt, als sein rechtes
Bein ihm kurzzeitig den Dienst versagte.
»Tötet sie!«, kreischte Faruk. »Tötet sie alle, auf der Stelle!« Andrej bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Abu Dun von einem heimtückischen Schwertstich in die Seite getroffen wurde und taumelte.
Der Nubier brüllte nur noch wütender, schwang seinen Säbel und
zahlte es dem Angreifer mit gleicher Münze heim, doch die überlebenden Krieger bedrängten ihn nur umso heftiger. Abu Dun mochte
so stark und so schnell sein, wie er wollte, aber er war nur ein Mann,
und stand vielen Schwertern gegenüber, die er nicht gleichzeitig abwehren konnte. Auch Andrej erging es kaum besser. Er versetzte
einem Soldaten einen Schwerthieb in die Schulter, der diesen schreiend zusammenbrechen ließ, doch er wurde auch fast im gleichen
Augenblick selbst getroffen, taumelte haltlos zurück und entging nur
durch pures Glück einem weiteren, geraden Schwertstich, der auf
seine Kehle gezielt gewesen war.
Und dann war plötzlich Meruhe da. Andrej sah auch jetzt nicht, was
sie tat. Ihre Bewegungen waren zu schnell, zu abgehackt und zu… falsch. Wie ein Derwisch fuhr sie unter die Gardisten, schleuderte
zwei, drei von ihnen zu Boden und verschaffte Andrej so den Atemzug Luft, denn er brauchte. Ohne auf den brennenden Schmerz in
seiner Seite zu achten, schickte er einen weiteren Mann mit einem
Fußtritt zu Boden und sprang dann an Abu Duns Seite, um ihm beizustehen.
Der Nubier befand sich mittlerweile in höchster Bedrängnis. Er blutete aus mehreren, tiefen Wunden, und auch, wenn seine eigene Waffe mittlerweile ein weiteres Opfer gefordert hatte, so wurde er doch
Schritt für Schritt zurückgedrängt, und es war nur noch eine Frage
von Augenblicken, bis ihn die Übermacht überrannte.
Andrejs Eingreifen wendete das Blatt. Er versuchte nicht mehr, ritterlich zu kämpfen, sondern rammte dem ersten Krieger sein Schwert
in den Rücken, packte den Sterbenden und schleuderte ihn so wuchtig gegen einen zweiten Mann, dass die beiden zu Boden gingen.
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