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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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opferst, du Dummkopf.
Schließlich schüttelte sie noch einmal entschieden den Kopf und
sagte mit fester Stimme: »Nein. Das hätte keinen Sinn. Faruks Krieger müssen vollkommen am Ende sein. Wahrscheinlich haben sie die
Hälfte ihrer Pferde bereits zu Tode geritten. Sie werden dort hingehen, ob sie uns nun folgen oder nicht. Wir müssen die Leute in jedem
Fall warnen.« Sie hob rasch die Hand, um seinem Widerspruch zuvorzukommen. »Wir versuchen, unsere Kamele gegen frische Tiere
zu tauschen, und reiten dann sofort weiter. Vielleicht halten sie sich
nicht länger als nötig auf, wenn sie Angst haben, dass unser Vorsprung zu groß wird.«
Als ob es einen Unterschied machte, ob Faruks Krieger sich eine
Stunde oder eine ganze Nacht lang dort austobten, dachte Andrej.
Aber er behielt auch diesen Gedanken für sich, oder versuchte es
zumindest. Meruhe streifte ihn noch einmal mit einem sonderbaren
Blick, sagte aber nichts mehr, sondern trieb ihr Kamel an.
Obwohl ihnen die Entfernung gar nicht mehr so groß erschienen
war - nach Tagen, in denen sie nicht anderes als Stein und Wüste,
Hitze und einen Horizont gesehen hatten, der immer ein kleines
Stück weiter entfernt zu sein schien, als der Blick reichte, brauchten
sie doch nahezu den Rest des Tages, um die Wüste endgültig hinter
sich zu lassen und den schmalen Streifen fruchtbaren Landes zu erreichen, der sich rechts und links des gewaltigen Flusses dahinzog.
Die Sonne berührte schon beinahe wieder den Horizont, als ihnen die
ersten Menschen begegneten, einfache Bauern und ihre Familien, die
von den drei einsamen Gestalten höchstens insofern Notiz nahmen,
als sie ihnen angesichts der Richtung, aus der sie auftauchten, einen
verwunderten Blick zuwarfen. Meruhe, die wieder ein Stück vorausgeritten war, tauschte das eine oder andere Wort mit ihnen. Als sie
zurückkam, spürte Andrej, dass sie besorgter war, als sie es sich anmerken lassen wollte.
»Schlechte Nachrichten?«, fragte Abu Dun.
»Wir sind nicht die ersten Fremden, die sie heute sehen«, antwortete Meruhe. »Vor einigen Stunden ist ein Trupp von zwanzig oder
dreißig Reitern vorbeigekommen. Angeführt wurde er von einem
Mann mit schrecklich vernarbtem Gesicht.«
»Ali Jhin«, vermutete Andrej.
Meruhe nickte knapp. »Ich verstehe das nicht. Eigentlich ist es unmöglich, dass sie uns überholt haben sollen.«
»Und was heißt das nun für uns?«, fragte Abu Dun. Er machte eine
Kopfbewegung zum Fluss hin. Im Licht der untergehenden Sonne
wirkte der Nil wie ein Meer aus geschmolzenem Gold, und Andrej
empfand Ehrfurcht beim Anblick dieses gewaltigen, ruhig dahinfließenden Stromes. Er war an dieser Stelle so breit, dass man das gegenüberliegende Ufer kaum noch sehen konnte. »Dass sie irgendwo
dort vorn auf uns warten?«
Meruhe zögerte mit der Antwort. Ein eher nachdenklicher als besorgter Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. »Das dachte ich zunächst auch«, murmelte sie. »Auf der anderen Seite muss Ali Jhin
wissen, dass zwanzig Männer nicht genug sind, um uns aufzuhalten.«
Andrej hatte das sichere Gefühl, dass sie eigentlich mich hatte sagen wollen, es sich im letzten Moment aber noch anders überlegt
hatte.
»Ach«, sagte Abu Dun. »Und was genau soll uns das jetzt sagen?«
Meruhe sah ihn nur besorgt an, doch Andrej sagte leise: »Dass sie
sich mittlerweile nicht mehr beeilen, um uns aufzulauern…«
»… sondern, um vor uns die Tiere zu tauschen und damit auch vor
uns in meinem Dorf zu sein«, beendete Meruhe den Satz. »Ja. Das
hatte er von Anfang an vor.« Plötzlich verdunkelte Zorn ihr Gesicht.
»Wieso habe ich das nicht gleich begriffen?«
»Was?«, fragte Abu Dun verwirrt. »Ich meine… ich weiß nicht,
wie groß dein Dorf ist und wie viele Einwohner es hat, aber zwanzig
Männer reichen doch auf keinen Fall, um sie alle gefangen zu nehmen.«
»Das muss er auch nicht«, sagte Meruhe düster. »Es gibt nur einen
einzigen Eingang zu den Höhlen. Wenn sie ihn blockieren, gibt es
nichts mehr, wohin meine Leute flüchten können.«
»Dann kämpfen wir uns eben den Weg frei«, sagte Abu Dun, doch
Meruhe schüttelte auch jetzt wieder nur traurig den Kopf.
»Das ist unmöglich. Der Eingang ist eine natürliche Festung. Ein
einziger Mann kann ihn spielend gegen eine gewaltige Übermacht
halten. Nicht einmal ihr könntet ihn mit Gewalt einnehmen. Nicht
schnell genug jedenfalls. Er muss uns nur so lange aufhalten, bis Faruk mit seinen Truppen da ist.«
Abu Dun

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