Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
ihnen zusammengebrochen sein. Seth war zweifellos
tot, aber wenn die Welle der Vernichtung, die Abu Dun ausgelöst
hatte, sie einholte, dann würden sie an diesem Sieg nicht mehr lange
Freude haben. All ihre schier übermächtigen Kräfte nutzten ihnen
nichts mehr, wenn ihnen ein kompletter Tempel auf die Köpfe fiel.
Wieder streifte etwas seine Schulter. Neben ihm schrie Abu Dun
auf, als auch er von einem steinernen Wurfgeschoss getroffen wurde,
das unsichtbar aus der Dunkelheit auf ihn herabfiel. Dann geschah
genau das, was er die ganze Zeit über schon befürchtet hatte: Das
zuckende rote Licht am Ende des Tunnels vor ihnen erlosch, die
Dunkelheit schlug endgültig über ihnen zusammen und schien seine
Bewegungen zu verlangsamen und seinen Atem zu lähmen. Panik
griff nach Andrej und drückte sein Herz zusammen wie eine unsichtbare, stählerne Faust; er war nicht fähig, auch nur einen einzigen,
klaren Gedanken zu fassen.
Dann, von einem Atemzug auf den nächsten, war es vorbei. Der
Boden bebte ein letztes Mal. Ein dumpfer, qualvoll klingender Laut
erschütterte nicht nur die Wände und die unsichtbare Decke, sondern
selbst die Luft in seinen Lungen, und plötzlich hörte es auf. Irgendwo
polterten noch ein paar kleinere Steine, Sand rieselte leise, aber beständig. Andrej taumelte noch drei oder vier Schritte blind weiter,
bevor er gegen eine Wand prallte und hilflos auf die Knie fiel. Er
konnte hören, wie Abu Dun noch ein halbes Dutzend Schritte weiterrannte und dann stehen blieb, weil er anscheinend wahrgenommen
hatte, wie das Geräusch seiner Schritte abbrach. Alles drehte sich um
ihn. Sein Herz jagte, als wollte es zerspringen, und obwohl er begriff,
dass es vorbei und sie gegen jede Logik noch immer am Leben waren, wollte die Panik einfach nicht weichen. Ganz im Gegenteil wurde es eher noch schlimmer. Er hörte, wie Abu Dun zurückkam, aber
als der Nubier nach seiner Schulter griff, schrie er auf, schlug seine
Hand zur Seite und versuchte vor ihm zurückzuweichen.
»Andrej! Hör auf, verdammt!«
Abu Dun packte ihn mit beiden Händen und schüttelte ihn so heftig,
dass Andrejs Hinterkopf unsanft gegen das harte Mauerwerk stieß.
Der Schmerz brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Die Panik war
noch immer da, nun aber gelang es ihm, sie mit einer bewussten Willensanstrengung zurückzudrängen. »Es ist gut«, sagte er. »Du kannst
mich loslassen.«
Abu Dun ließ ihn natürlich nicht los, hörte aber immerhin damit
auf, seinen Kopf beständig gegen die Wand zu schlagen. »Ist… alles
wieder in Ordnung?«, fragte er zögernd.
»Ja«, quetschte Andrej zwischen zusammengebissenen Zähnen
hervor. »Jedenfalls, wenn du endlich deine Versuche einstellen würdest, mir den Schädel einzuschlagen.«
»Eine Idee, an der ich Geschmack finden könnte«, gab Abu Dun
zurück. Trotzdem gaben seine Hände Andrej frei, wenn auch nur für
einen kurzen Moment. Dann packte er erneut zu, diesmal aber, um
ihn mit etwas, was die Bezeichnung sanfte Gewalt nur noch mit sehr
viel gutem Willen verdient hätte, auf die Füße zu stellen.
Ein flackerndes rotes Licht tauchte am Ende des Stollens auf und
kam rasch näher. Der Schein wirkte verschwommen, als dränge er
durch dichten Nebel zu ihnen, und plötzlich spürte Andrej, wie bitter
die Luft schmeckte und wie viel Staub darin lag. Seine Kehle brannte
so heftig, dass er nur noch mit Mühe ein Husten unterdrücken konnte.
»Andrej, Abu Dun - ist alles in Ordnung?«
Andrej fragte sich müde, warum Meruhe diese Frage stellte.
Schließlich brauchte sie sie nicht zu sehen, um zu wissen, wie es ihnen ging. Dennoch antwortete er. »Ja. Auch, wenn wir das bestimmt
nicht deinem völlig übergeschnappten Landsmann zu verdanken haben.«
Zu seiner Überraschung enthielt sich Abu Dun einer bissigen Bemerkung, und Meruhe sagte: »Wir müssen hier raus. Ich bin nicht
sicher, ob das schon alles war.«
Andrej streifte Abu Duns Hand ab, die noch immer um seinen Oberarm griff, als wäre er nicht sicher, ob er tatsächlich aus eigener
Kraft stehen konnte, und folgte ihr, als Meruhe sich auf der Stelle
umwandte und den Weg wieder zurückgehen wollte, den sie gerade
gekommen war. »Du meinst, die ganze Ruine könnte zusammenbrechen?«
Nein, antwortete Meruhe, nun wieder auf ihre unheimliche, lautlose
Weise. Aber es könnte sein, dass wir etwas geweckt haben.
»Was geweckt«, entfuhr es Andrej.
Diesmal reagierte Meruhe nicht, doch er konnte Abu Duns misstrauische

Weitere Kostenlose Bücher