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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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neuerlichen Zorn, der
bei diesem Anblick in ihm hochkochte, stand mit erzwungen ruhigen
Bewegung auf und trat wieder näher. Etwas Kleines, Goldenes
schimmerte in Abu Duns riesenhafter Pranke. Es sah aus wie ein
Amulett, aber vielleicht täuschte sich Andrej auch. Er hatte den Eindruck, ein Sonnensymbol zu erkennen, und etwas, das es umspielte,
filigran und aufwändig gearbeitet. Etwas daran berührte ihn auf eine
Weise, die er sich nicht erklären konnte, zumal er es gar nicht richtig
gesehen hatte.
»Du hast unser Leben für dieses… Ding aufs Spiel gesetzt?«, murmelte Abu Dun in einem Tonfall, der zwischen Fassungslosigkeit
und mühsam unterdrückter Wut angesiedelt war. »Wegen eines… Schmuckstücks?«
»Es ist viel mehr als das«, antwortete Meruhe ruhig. Sie streckte die
Hand aus. »Bitte gib es mir zurück.«
Abu Dun verzog nur trotzig die Lippen - aber dann geschah etwas
Unheimliches. Meruhe sah Abu Dun ruhig in die Augen, und Abu
Duns Lächeln wirkte plötzlich unsicher. Andrej konnte sehen, wie
sein Widerstand bröckelte. Ohne ein weiteres Wort reichte er Meruhe
das Schmuckstück zurück. Sie drehte es einen Moment in den Händen und ließ es dann wieder unter ihrem Mantel verschwinden. Andrej erhaschte erneut nur einen flüchtigen Blick auf das Sonnensymbol
und etwas, das mit langen Tatzen nach diesem zu greifen schien, und
ohne dass er hätte sagen können warum, war er jetzt sicher, dass es
sich in der Tat um ein Amulett handelte, wenn auch vielleicht um das
merkwürdigste, das er je gesehen hatte.
»Was ist das?«, fragte er.
»Etwas sehr Wertvolles«, murmelte Meruhe ausweichend. »Der
Umweg war notwendig, glaub mir.«
»Oh ja, und damit sollen wir uns dann zufrieden geben, wie?«,
fauchte Abu Dun, schüttelte aber zugleich auch zornig den Kopf.
»Verdammt noch mal. Weib, du hättest uns um ein Haar alle umgebracht!«
»Ich habe euch nicht gebeten, mich zu begleiten«, gab Meruhe kühl
zurück. »Im Gegenteil.«
»Weil du Angst hattest, wir könnten sehen, was du dort unten wirklich willst?«, giftete Abu Dun. »Was für ein Spiel spielst du mit uns,
Weib?« Er schnaubte wütend. »Was hattest du mit Seth zu besprechen, das wir nicht hören sollten?«
Meruhe wirkte ehrlich verletzt. Vielleicht, dachte Andrej, weil sie
wusste, wie bitter ernst diese Frage gemeint war. Und vielleicht war
das auch der Grund, aus dem sie Andrej ansah, als sie antwortete,
und nicht Abu Dun. »Ich hatte keine Ahnung, dass er hier auf mich
warten würde«, sagte sie ruhig »Ich hätte niemals erlaubt, dass ihr
mich begleitet, wenn ich es gewusst hätte.«
»Natürlich nicht«, sagte Abu Dun höhnisch.
Andrej ignorierte ihn. »Er muss vor uns dort unten gewesen sein«,
sagte er nachdenklich.
Meruhe nickte.
»Und das heißt, er hat auf dich gewartet«, fuhr Andrej fort.
Meruhe nickte abermals. Sie schwieg beharrlich weiter, wich seinem Blick aber nun aus.
»Aber wie konnte er wissen, dass wir hierher kommen würden?«
Meruhe hob die Schultern. Sie sah ihn immer noch nicht an. »Anscheinend bin ich wohl leichter zu durchschauen, als ich geglaubt
habe.«
»Das ist keine Antwort«, sagte Abu Dun scharf, doch diesmal verfing sein Tonfall nicht.
Meruhe maß ihn nur mit einem kühlen Blick. »Es ist aber die einzige, die du bekommen wirst.« Abu Dun wollte auffahren, doch diesmal brachte ihn Meruhe mit einer barschen Geste zum Schweigen.
»Du würdest es nicht verstehen, Abu Dun, glaub mir. Und wenn
doch, dann würdest du es nicht verstehen wollen. Es gibt Dinge, von
denen man besser nichts weiß.«
»Soll mich das jetzt beeindrucken?«, fragte Abu Dun.
»Es wäre besser«, erwiderte Meruhe ernst. »Ich habe Dinge gesehen, von denen ich mir wünschte, ich hätte sie niemals kennen gelernt.« Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Aber nun sollten wir
wirklich aufbrechen. Seth wird bald hier sein, und ich glaube nicht,
dass ihr ihm begegnen wollt, wenn er wirklich wütend ist.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Abu Dun.
Meruhe zögerte, und Andrej sagte ruhig: »Weil sie seine Gedanken
liest. Ebenso wie unsere übrigens.«
Abu Dun riss die Augen auf und starrte ihn an.
»Das ist wahr«, sagte Meruhe rasch. Der Blick, den sie Andrej zuwarf, war ungefähr so sanft wie die Klinge seines Damaszenerschwertes. »Aber ich meine es ernst: Seth lebt, und er wird bald hier
sein. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Andrej war sicher, dass Abu Dun ihre Worte nicht einmal gehört
hatte. Der Nubier

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