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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unter ihren Füßen lief; begleitet von einem tiefen, mahlenden Geräusch, das seinen Ursprung überall rings um sie herum in den Wänden zu haben schien.
Vielleicht war es nicht einmal nur Einbildung, denn Meruhe warf
einen raschen, alarmiert wirkenden Blick über die Schulter zu Abu
Dun zurück, und auch der Nubier entfernte sich hastig von der zusammengestürzten Stelle, blieb aber dann nach ein paar Schritten
plötzlich wieder stehen und drehte sich um.
»Worauf wartest du?«, fragte Andrej ungeduldig. »Dass uns diese
ganze Ruine auf den Kopf fällt?«
Abu Dun antwortete nicht gleich, sondern legte den Kopf in den
Nacken und suchte mit aufmerksamen Blicken die Decke ab.
»Uns vielleicht nicht…«, murmelte er.
»Was soll das heißen?«, fragte Andrej beunruhigt.
Meruhe blieb endgültig stehen und schrie mit sich überschlagender
Stimme: »Abu Dun - bist du wahnsinnig geworden?«
Statt zu antworten, bückte sich Abu Dun plötzlich, hob einen Steinbrocken von der Größe eines kleinen Weinfasses auf und schleuderte
ihn mit aller Kraft gegen den schräg stehenden Türsturz.
Der Felsen zerbarst in mehrere kleinere Brocken, und die ohnehin
beschädigte Säule gab ein Knirschen von sich, das sich fast wie das
Stöhnen eines gequälten Menschen anhörte, und neigte sich noch ein
Stück weiter zur Seite. Andrej konnte sehen, wie sich die gesamte
Tunneldecke um zwei oder drei Handbreit senkte und dann schwankend wieder zum Stillstand kam. Es war ein bizarrer Anblick, als
sähe man vom Grund eines Sees zur Wasseroberfläche hinauf, die
sich unter den Böen eines gewaltigen Sturms hob und senkte, nur,
dass diese Wasseroberfläche aus Stein bestand. Gleichzeitig sah er,
wie sich Seth hinter dem Altarstein vollends aufrichtete, aber noch
einen Moment stehen blieb und benommen den Kopf schüttelte.
»Abu Dun! Nein!«, schrie Meruhe hinter ihm, aber natürlich erreichte sie damit nur das Gegenteil. Abu Dun bückte sich nach einem
womöglich noch größeren Felsbrocken, zielte diesmal besser und
schleuderte ihn nach dem Stützpfeiler.
Das Ergebnis war spektakulär. Abu Duns improvisiertes Wurfgeschoss zerbarst, und nur einen halben Atemzug später brach zuerst
der ohnehin angeschlagene Pfeiler, dann die gesamte Tunneldecke
über dem Eingang zusammen. Kurz bevor Staub und fliegende Splitter ihm die Sicht nahmen, erkannte Andrej noch, wie sich Seth endgültig in ein huschendes Gespenst zu verwandeln schien, das mit
unfassbarer Geschwindigkeit auf den rettenden Ausgang zujagte. Er
wäre nicht erstaunt gewesen, hätte er den Unsterblichen aus der brodelnden Wolke aus Staub und gefährlichen, rasiermesserscharfen
Steinsplittern hervorbrechen sehen, die plötzlich das Ende des Tunnels verschlang.
Stattdessen wirbelte Abu Dun herum, packte ihn grob an der Schulter und zerrte ihn einfach mit sich. Hinter ihnen stürzten mehr und
mehr Steinquader und Trümmer von der Decke, und aus dem seufzenden Geräusch, das bisher aus den Wänden gedrungen war, wurde
ein tiefes, mahlendes Stöhnen. Der Boden, über den sie rannten, zitterte jetzt so heftig, als befänden sie sich auf einem Schiff, das unversehens in einen Sturm geraten war, und das donnernde Geräusch
von herabstürzenden Steinen wurde immer lauter und kam näher. Vor ihnen hetzte Meruhe durch den Gang, so schnell sie nur konnte,
und auch Abu Dun versuchte seine Schritte noch einmal zu beschleunigen.
Andrej hatte endlich seinen eigenen Rhythmus gefunden und rannte
verzweifelt neben dem Nubier her. Irgendetwas traf ihn so hart wie
ein Faustschlag im Rücken, dann streifte etwas noch härter seinen
Arm und hätte ihn um ein Haar aus dem Gleichgewicht gebracht.
Verzweifelt taumelte er weiter, warf einen Blick über die Schulter
zurück und hätte fast laut aufgeschrien. Vielleicht schrie er sogar,
aber wenn, dann ging sein Schrei in dem ungeheuren Dröhnen und
Krachen unter, mit dem der gesamte Gang hinter ihnen zusammenstürzte. Der Anblick spornte ihn noch einmal zu größerer Schnelligkeit an. Das flackernde rote Licht vor ihnen war mittlerweile beinahe
verschwunden, und es gab auch keine leuchtenden Pflanzen mehr,
sodass sie sich schon wieder durch nahezu vollkommene Dunkelheit
bewegten. Wenn Meruhe irgendwo abbog oder eine Treppe hinaufrannte, dann waren sie verloren, dachte er entsetzt. Diesmal hatte es
Abu Dun übertrieben. Dem ungeheuren Lärmen und dem Ächzen des
Bodens unter ihren Füßen nach zu urteilen, musste der gesamte
Tempel hinter

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