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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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starrte Meruhe nur weiter aus aufgerissenen Augen
an, und wenn Andrej jemals einen Ausdruck von Fassungslosigkeit
auf seinem Gesicht gesehen hatte, dann jetzt. Er war aber auch ebenso sicher, dass Meruhes Warnung ernst gemeint gewesen war.
»Ist er allein?«, fragte er. »Oder sind die anderen…?«
»Nein«, unterbrach ihn Meruhe. »Aber er allein reicht, glaub mir.
Er ist unglaublich wütend. Es ist lange her, dass ihn jemand so gedemütigt hat wie Abu Dun und du.«
»Nur weil wir ihm einen alten Tempel auf den Kopf geworfen haben?«, fragte Andrej.
Der Gedanke - vielleicht auch nur seine Formulierung - schien Meruhe zu amüsieren, allerdings nur kurz. »Dieses Gebäude war viel
mehr als irgendein alter Tempel«, sagte sie. »Ihr wisst nicht, was ihr
da getan habt.«
»Nein«, sagte Andrej. »Woher auch?«
Einen Moment lang sah Meruhe ihn nur an. Sie wirkte betroffen.
»Ja«, murmelte sie. »Woher auch. Es war meine Schuld.« Sie atmete
hörbar aus. »Aber ich sage es noch einmal: Uns bleibt nicht mehr
viel Zeit.«
Andrej spürte, wie ernst es ihr damit war. Da waren noch tausend
Fragen, die ihm auf der Zunge lagen, aber er spürte mittlerweile
selbst, wie wenig Zeit ihnen noch blieb. Irgendetwas kam auf sie zu.
Schnell. Und er war ganz und gar nicht sicher, dass es tatsächlich nur
Seth war.
Der erschrockene Blick, den Meruhe ihm zuwarf, schien seinen
Verdacht zu bestätigen, aber sie ging mit keinem Wort auf seine Gedanken ein, sondern drehte sich mit einem plötzlichen Ruck um und
lief in Richtung des gewaltigen Felsens los, in dessen Schatten sie
die Kamele zurückgelassen hatten. Andrej zögerte noch ihr zu folgen, gerade lange genug, um einen unsicheren Blick mit Abu Dun zu
tauschen, dann eilte er hinter ihr her.
Meruhe hatte die Kamele bereits erreicht und schnitt die Fußfesseln, die Andrej den Tieren angelegt hatte, kurzerhand mit dem Messer durch. Ihr Reittier wollte in den Vorderläufen einknicken, um ihr
das Aufsitzen zu erleichtern, doch Meruhe sprang mit einer fließenden Bewegung in den Sattel, und das Kamel stellte seine begonnene
Bewegung ein und reckte sich stattdessen ganz auf seine langen,
staksigen Beine hoch; ebenso wie die beiden anderen Tiere. Andrej
warf ihr einen giftigen Blick zu, den sie ignorierte, und kletterte umständlich auf den Rücken seines eigenen Kamels - das natürlich nicht
die kleinste Anstrengung unternahm, ihm das Aufsteigen zu erleichtern. Ganz im Gegenteil hatte Andrej das sichere Gefühl, dass sich
das bucklige Mistvieh über seine Ungeschicklichkeit amüsierte.
Abu Dun jedenfalls tat es, und das ganz unverhohlen. Er saß längst
im Sattel, als es Andrej endlich gelungen war, in eine halbwegs würdevolle Position zu rutschen, und grinste ihn an.
»Seid ihr so weit?«, fragte Meruhe.
Abu Dun nickte, und Andrej schüttelte heftig den Kopf.
»Gut«, sagte Meruhe, »dann…«
»Einen Augenblick noch«, sagte Abu Dun hastig. Er wirkte verlegen, zugleich aber auch nervös. Meruhe runzelte ungeduldig die Stirn
und sah rasch über die Schulter in die Richtung zurück, aus der sie
gekommen waren, als erwarte sie jeden Moment, einen vor Wut
schnaubenden Seth aus dem Tempel hervorstürmen zu sehen; wenn
nicht etwas noch viel Schlimmeres.
»Also gut«, seufzte sie. »Was?«
Abu Dun sah sie einen Atemzug lang unglücklich an, dann drehte
er sich zu Andrej um und fragte: »Was… was du gerade gesagt
hast… dass sie unsere Gedanken hören kann…« Er fuhr sich unsicher mit dem Handrücken über das Kinn. »Ist… ist das wahr?«
»Ja«, antwortete Meruhe, bevor Andrej etwas sagen konnte.
Abu Dun drehte sich mit einem Ruck zu ihr um. »Alle?«, krächzte
er. »Ich meine… du… du hast alles gehört, was… was ich…«
»Alles«, bestätigte Meruhe ernst. Jedenfalls versuchte sie, ernst zu
bleiben.
»Oh«, machte Abu Dun. Täuschte sich Andrej, oder wurde der Nubier tatsächlich rot?
Meruhe gab ihren Versuch auf, ernst zu bleiben. »Ja«, sagte sie. Ihre Augen funkelten. »Aber das muss dir nicht peinlich sein. Ich bin
schon ein großes Mädchen, weißt du? Ich habe so etwas nicht zum
ersten Mal gehört.«
»Du… du meinst, du… du hast wirklich… also alles, was…«
Andrej blickte verstört von Abu Dun zu Meruhe und wieder zurück.
»Also, wenn es dich beruhigt«, fuhr Meruhe lächelnd fort, »dann
kann ich dir versichern, dass ich es wirklich als Kompliment auffasse.«
»Abu Dun?«, fragte Andrej.
Abu Dun ignorierte ihn, genau wie Meruhe.
»Es

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