Die Verfluchten
tut mir wirklich Leid«, sagte er unsicher. »Wenn ich gewusst
hätte, dass…« Er brach ab, warf Andrej einen raschen Seitenblick zu
und rettete sich in ein linkisches Schulterzucken.
Meruhe winkte ab. »Wie gesagt: Ich bin schon erwachsen und kenne eine Menge Dinge. Obwohl…« Sie hob überrascht den Kopf und
sah Abu Dun mit einer Mischung aus Staunen und Neugier an.
»Glaubst du das wirklich?«
Andrej räusperte sich. Niemand beachtete ihn.
»Also, ich will dir nicht zu nahe treten«, fuhr Meruhe stirnrunzelnd
fort, »aber glaubst du wirklich, dass du so gelenkig…?«
»He, ihr beiden!«, protestierte Andrej.
Meruhe grinste nun ihn an. Abu Dun auch.
Sie ritten los.
In dieser Nacht legte Meruhe keine Rast ein. Sie mussten weit länger in dem versunkenen Tempel gewesen sein, als Andrej geglaubt
hatte, denn die kurze Dämmerung brach herein, noch bevor sie eine
Stunde unterwegs gewesen waren. Für einen kurzen Moment wurden
die Temperaturen erträglich, dann sanken sie weiter, und es wurde
kühl, dann bitterkalt. Die Kamele fielen in eine sonderbare Gangart
zwischen einem schnellen Trab und einem gemäßigten Galopp, von
der Andrej blind jede Wette gehalten hätte, dass sie sie keine Stunde
durchhalten würden.
Eine Wette, die er verloren hätte. Stunde um Stunde jagten die Tiere in die Nacht hinein, als gehöre das Wort Müdigkeit nicht in ihre
Welt. Nach einer Weile tauchte das schimmernde Band des Flusses
wieder vor ihnen auf, und dann und wann schimmerte auch ein Licht
durch die Nacht, das Meruhe jedoch ausnahmslos in großem Abstand
umging.
Lange nach Mitternacht überquerten sie den Fluss, zu Andrejs Erleichterung aber diesmal nicht in einer halb leckgeschlagenen Nussschale mit einem verhinderten Flusspiraten als Kapitän, sondern auf
einem Floß, auf dem ein Dutzend Kamele Platz gefunden hätten.
Es war die einzige Pause, die Meruhe ihnen gönnte.
Sie stiegen bereits wieder auf die Rücken ihrer Kamele, als die Fähre das jenseitige Ufer noch nicht ganz erreicht hatte, und sprengten
weiter, noch bevor das dumpfe Geräusch verklungen war, mit dem
das Gefährt an die hölzerne Anlegestelle stieß. Und weiter ging es
durch die Nacht, dem Morgen und Meruhes Dorf entgegen; und damit auf etwas zu, was Andrej jetzt schon Angst machte, ohne dass er
auch nur wusste, was es war. Andrej hatte in dieser Nacht nur eine
einzige diesbezügliche Frage gestellt und sich jede Wiederholung
gespart, als er keine Antwort erhalten hatte.
Diesmal verließen sie den fruchtbaren Uferstreifen sofort. Die
Landschaft wurde karger und präsentierte sich ihnen schon bald wieder als dieselbe zu Stein erstarrte Wüste, durch die sie drei Tage lang
vor Faruks Truppen geflohen waren.
Es war vielleicht zwei Stunden vor Sonnenaufgang, als Meruhe
endlich langsamer ritt und anhielt und schließlich mit einer raschen
Bewegung aus dem Sattel glitt. Abu Dun tat es ihr gleich, während
Andrej sein Kamel zwar so dicht an sie heranlenkte, wie es ging, es
darüber hinaus aber vorzog, im Sattel zu bleiben - wie er sich selbst
einredete, um auf alles vorbereitet zu sein, in Wahrheit aber wohl
eher, um sich die Mühe zu ersparen, wieder umständlich auf den
Kamelrücken hinaufkrabbeln zu müssen.
»Was habt ihr?«, fragte er. Seine Stimme kam ihm in der zu Stein
erstarrten Nacht unnatürlich laut und fremd vor.
Abu Dun sah nur zu ihm hoch und deutete ein Schulterzucken an.
»Spuren.« Meruhe klang besorgt und auf eine gewisse Weise enttäuscht, als hätte sie genau das gefunden, was sie befürchtet hatte,
aber bis zum letzten Moment gehofft, es würde nicht eintreten. Andrej sah, wie ihre Fingerspitzen über den Boden tasteten, und beugte
sich noch ein Stück weiter im Sattel vor. So sehr er seine Augen anstrengte, erkannte er dort unten nichts als glatten Stein. Abu Duns
hilflosem Gesichtsausdruck nach zu schließen, erging es ihm nicht
anders.
»Reiter«, führte Meruhe weiter aus. Sie stand auf. »Sehr viele Reiter. Faruks Truppen.« Ihre Miene verdüsterte sich noch weiter. »Sie
haben mindestens einen halben Tag Vorsprung.«
»Das bedeutet, sie sind bereits in deinem Dorf«, sagte Abu Dun finster.
»Oder erreichen es in diesem Moment«, fügte Meruhe hinzu. »Ja.«
Sie seufzte, aber es klang eher resignierend. »Wir sind zu spät. Nur
ein paar Stunden eher…«
»Du meinst die Stunden, die…«
»… die uns der Umweg zum Tempel gekostet hat, ja«, fiel ihm Meruhe ins Wort. »Trotzdem war es richtig. Ich durfte
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