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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Metall. Andrej drehte alarmiert den
Kopf, und was er sah, erfüllte ihn mit einem jähen, kalten Zorn.
Ali Jhin war zurück. Und er war nicht allein gekommen.
Andrejs Sinne, vielleicht auch die so fremdartige Akustik dieses
Landes, die nichts entsprach, was er jemals kennen gelernt hatte,
hatten ihm einen bösen Streich gespielt. Er war trotz allem sicher
gewesen, dass ihnen noch genug Zeit blieb, bis die Krieger des Sklavenhändlers eintreffen würden, aber das hatte sich als falsch erwiesen. Sie waren da. Es waren nicht die einhundert Männer, die Meruhe vorhergesagt und die auch Abu Dun und er befürchtet hatten,
wohl aber gut dreißig oder auch vierzig, die jetzt nahezu lautlos aus
der Nacht auftauchten und eine dicht geschlossene Kette auf dem
gegenüberliegenden Dünenkamm bildeten, schwer bewaffnet und
offensichtlich zu allem bereit.
Ali Jhin war unter ihnen. Andrej erkannte ihn allerdings nur daran,
dass es lediglich einen einzigen Reiter gab, der nicht Schild und
Schwert oder Speer in den Händen trug, sondern dessen rechter Arm
fest gegen den Körper gepresst war. Die wenigen Augenblicke, die
vergangen waren, seit Meruhe ihn davongejagt hatte, hatten ihm offensichtlich gereicht, seine Männer zu erreichen, sich umzuziehen
und auf ein besonders beeindruckendes, prachtvoll aufgezäumtes
Schlachtross zu steigen. Zu allem Überfluss, dachte Andrej, war der
Kerl offensichtlich auch noch eitel.
Zumindest wusste er jetzt, warum Abu Dun so erschrocken reagiert
hatte. Der Nubier hatte die sich nähernden Krieger offensichtlich
noch vor ihm gehört, und vermutlich war er ebenso bestürzt wie Andrej selbst über die Erkenntnis, dass ihre ansonsten so unfehlbaren
Sinne sie ausgerechnet jetzt im Stich gelassen hatten.
»Worauf warten sie?«, murmelte er verwirrt.
Gleichzeitig lauschte er so konzentriert in die Nacht hinaus, wie er
nur konnte. Es war schwer, über den lauter werdenden Geräuschen
von Wind und Sand noch irgendetwas anderes zu identifizieren, aber
nach einer Weile glaubte er doch, aus derselben Richtung wie zuvor
noch immer das Geräusch einer großen Anzahl nunmehr rasch näher
kommender Reiter auszumachen. Vielleicht stellten die Krieger dort
drüben nur einen Voraustrupp dar, der ohne Rücksicht auf mögliche
Gefahren losgeritten war, um seinem Herrn zu Hilfe zu eilen.
»Meruhe!«, schrie Ali Jhin. Der Wind hatte sich gedreht, sodass er
die Stimme des Sklavenhändlers von Andrej und Abu Dun wegtrug,
aber er rief laut genug, dass sie ihn trotzdem verstanden. Erst, nachdem er einige weitere Worte ausgesprochen hatte, fiel Andrej überhaupt auf, dass er nun wieder Arabisch sprach, die Sprache, die nicht
nur Abu Dun und er beherrschten, sondern auch all die Männer und
Frauen dort unten.
»Ich gebe dir eine letzte Chance, das Leben all dieser Leute zu retten! Wenn dir wirklich so viel an ihnen liegt, wie du immer behauptest, dann kommst du jetzt zurück und gibst mir, was mir zusteht!«
»Was meint er damit?«, murmelte Andrej. Der Wind frischte noch
einmal auf. Dennoch hatte Andrej das Gefühl, dass er jetzt nicht
mehr so eisig war wie noch vor wenigen Augenblicken. Aus dem
Geräusch von Sand, der über Stein scheuerte, war etwas geworden,
was an das Grollen eines noch weit entfernten Gewitters erinnerte.
»Also gut!«, fuhr Ali Jhin fort. »Ich sehe jetzt, was dir das Leben all
der Menschen wirklich wert ist, die ihr Schicksal so blind in deine
Hände gelegt haben! Alles, was nun geschieht, fällt allein in deine
Verantwortung!«
Er riss den unversehrten Arm in die Höhe, und diejenigen seiner
Männer, die es noch nicht getan hatten, zogen ihre Waffen. Obwohl
es nur sehr wenige waren, schien das Geräusch unnatürlich laut
durch das schmale Dünental zu hallen und überhaupt kein Ende mehr
nehmen zu wollen; ein anhaltendes Klirren, Schleifen und Scheppern, zu dem Andrejs Fantasie bereits den Chor gellender Schmerzens- und Todesschreie dazuerfinden wollte, der zweifellos gleich
folgen würde. Ohne sein Zutun kroch seine Hand zum Gürtel und
schloss sich um den Griff des Damaszenerschwertes, löste sich
gleich darauf aber wieder.
Sie konnten nichts tun. So dunkel, wie die Nacht war, mussten sie
für Ali Jhin und seine Männer vollkommen unsichtbar sein, obwohl
sie ohne die geringste Deckung auf dem Sand der Düne lagen. Wäre
es nicht so gewesen, hätten die Krieger längst ihr Interesse an den
Flüchtlingen verloren und sich so schnell sie nur konnten auf sie

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