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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gleichgewicht und fiel auf die Knie.
Keuchend beugte er sich vor, rang ebenso verzweifelt wie vergeblich nach Luft und würgte und hustete, aber seine Kehle war mit
Sand gefüllt, vielleicht auch schon seine Lungen, und er konnte nicht
atmen. Alles begann sich um ihn zu drehen, der Boden zitterte immer
noch unter ihm wie unter den Hieben unsichtbarer Riesen, und seine
Lungen schrien nach Luft und schienen in Flammen zu stehen. Blut
lief über sein Gesicht. Andrej begann verzweifelt mit den Fäusten auf
seine Brust einzuhämmern, würgte und keuchte und erbrach schließlich unter Schmerzen Sand, Schleim und Blut und noch einmal Sand,
und endlich bekam er Luft.
Die ersten Atemzüge fühlten sich an, als hätte er fein gemahlenes,
glühend heißes Glas eingeatmet, und die Schmerzen waren fast
schlimmer, als selbst er es ertragen konnte. Dennoch zwang er sich
weiterzuatmen, seine Lungen mit dem kostbaren Sauerstoff zu füllen,
und schließlich, quälend langsam nur, wurde es besser.
Erschöpft ließ sich Andrej auf die Seite fallen, hörte schlurfende
Schritte hinter sich und registrierte trotz der fast vollkommenen
Dunkelheit, wie Abu Dun, der aus irgendeinem Grund noch einmal
zum Ausgang zurückgegangen sein musste, zurückkam und über ihm
zusammenzubrechen drohte.
Im allerletzten Moment wälzte sich Andrej herum. Abu Dun prallte
über ihm gegen die Wand, brach in die Knie und sank dann mit einem sonderbar seufzenden Laut vollends zu Boden, um das Bewusstsein zu verlieren. Andrej dachte, dass es eines so großen und starken
Mannes wie Abu Dun nicht würdig war, wegen diesem bisschen
Winds in Ohnmacht zu fallen wie eine Jungfer beim Anblick eines
nackten Männerhinterns, und noch bevor sich das zu diesem Gedanken gehörende Lächeln auf seine Lippen stehlen konnte, schwanden
auch ihm endgültig die Sinne.
    Das Erste, woran er sich erinnerte, als er wieder erwachte, war ein
Traum. Es konnte nur ein Traum gewesen sein, denn er hatte Meruhes Stimme gehört, die in jener uralten, längst untergegangenen
Sprache auf ihn einredete. Hätte er noch gezweifelt, ob sie in dieser
Nacht tatsächlich bei ihm gewesen war oder nicht, so wäre dies der
Beweis gewesen, denn obwohl er diese Sprache nicht sprach und sie
das erste Mal überhaupt erst vor wenigen Stunden gehört hatte, hatte
er doch jedes Wort verstanden.
    Seltsam war nur, dass er sich zwar an jedes Wort erinnerte und
auch wusste, was es bedeutete, aber dennoch den Sinn ihrer Aussage
nicht erfasste; ein weiterer Beweis dafür, dass ihn sein Gedächtnis zu
narren versuchte. Dennoch waren die Bilder, die vor seinen Augen
erschienen, nachdem er erwacht und bevor er die Lider gehoben hatte, von einer fast unheimlichen Wahrhaftigkeit. In seinem Traum
jedenfalls war er überzeugt davon gewesen, dass die Nubierin nicht
nur neben ihm gesessen und mit leiser, beruhigender Stimme auf ihn
eingeredet hatte, sondern auch, dass sie noch viel mehr getan hatte;
er wusste nicht, was, aber es hatte etwas mit dem zu tun, was sie
auch für den sterbenden Jungen getan hatte.
    Dann öffnete er die Augen, und die Illusion zerplatzte, denn das
Gesicht, in das er nun tatsächlich sah, war zwar ebenso schwarz wie
das Meruhes, aber nicht annähernd so hübsch, und es war auch nicht
unter einer Fülle dunkelroten Haares verborgen, sondern unter einem
gewaltigen, im Augenblick aber etwas schief sitzenden Turban.
»Und ich dachte schon, du wachst überhaupt nicht mehr auf«, sagte
    Abu Dun.
»Hätte ich gewusst, was ich sehe, hätte ich das vielleicht auch nicht
getan«, nuschelte Andrej. Abu Dun machte ein fragendes Gesicht,
was aber vermutlich daran lag, dass er ihn gar nicht verstanden hatte.
Andrej wunderte sich, dass er so undeutlich sprach. Dann knirschte
etwas zwischen seinen Zähnen, und er hatte plötzlich das Gefühl, ein
Reibeisen verschluckt zu haben: Sein Mund war noch immer voller
Sand.
Mühsam stemmte er sich in die Höhe, versuchte, Speichel auf seiner Zunge zu sammeln, um den Sand ausspucken zu können, und
stellte fest, dass es ihm nicht gelang.
»Hier.« Abu Dun hielt ihm einen prall gefüllten Wasserschlauch
hin. Andrej griff dankbar danach und spürte, wie unvorstellbar durstig er war. Trotzdem beherrschte er sich und verwendete die ersten
Schlucke darauf, sich gründlich den Mund auszuspülen und das
Wasser - auch wenn er das Gefühl hatte, damit eine Todsünde zu
begehen - danach auszuspucken. Erst dann stillte er mit gierigen,
großen Schlucken

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