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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wälzte sich talwärts. Das Letzte, was Andrej wirklich sah, war Abu Duns Gesicht, das zu einer Maske aus Entsetzen verzerrt war, und seine Lippen, die ein einzelnes Wort schrien, ohne
dass der Laut Andrejs Ohr erreichte. Dann war der Sand herangekommen, und die Welt rings um ihn herum erlosch.
Dafür fand er sich von einem Lidschlag zum anderen in der Hölle
wieder, einer Hölle, die nicht aus Feuer und den Schreien gequälter
Seelen bestand, sondern ungleich schlimmer war, als es jedes Fegefeuer sein konnte. Rings um ihn herum war Sand, Sand in einer
Menge und Geschwindigkeit, wie er ihn sich bisher nicht einmal hatte vorstellen können.
Der Boden unter seinen Füßen zitterte, in seinen Ohren gellte das
Kreischen einer Million losgelassener Dämonen, und der Sand
schlug aus allen Richtungen zugleich wie mit unsichtbaren Fäusten
auf ihn ein, hämmerte in sein Gesicht, gegen seinen Körper und seine
Glieder und versuchte, ihm das Fleisch von den Knochen zu reißen.
Er konnte nichts sehen, er bekam keine Luft mehr und war vollkommen orientierungslos. Ein grausamer Schmerz schien auf jedem freien Stück seiner Haut zu explodieren, alle seine Sinne versagten ihm
gleichzeitig den Dienst. Dann hörte er einen dumpfen, grollenden
Laut, der von einem noch stärkeren Erzittern der Erde unter seinen
Füßen begleitet wurde; vielleicht das Geräusch, mit dem die Walze
aus Sand und glühendem Sturm gegen die Flanke der gegenüberliegenden Düne schlug.
Andrej riss verzweifelt die Hände nach oben, um sein Gesicht zu
schützen, aber es nutzte nichts. Der Sand, der plötzlich glühend heiß
geworden zu sein schien, fand so mühelos einen Weg zwischen seinen Fingern hindurch wie etwas, das zehnmal flüssiger war als Wasser, und nun konnte er tatsächlich spüren, wie ihm die Haut in großen Fetzen von Gesicht und Händen gerissen wurde. Der Sand war
überall, in seinem Mund, seiner Nase, seinen Ohren und seinen Augen; er versuchte seine Lungen zu füllen und schlug Funken aus dem
Metall seines Schwertgriffs.
Blind taumelte Andrej weiter, prallte gegen etwas und fiel so
schwer auf die Knie hinab, dass er sich nicht mehr vorstellen konnte,
irgendwann noch einmal aufzustehen. Der Lärm in seinen Ohren
hatte längst die Grenzen des Vorstellbaren überstiegen und nahm
immer noch zu. Blut lief über sein Gesicht und wurde schneller davongerissen, als es seine geschundene Haut benetzen konnte. Sein
improvisierter Turban war längst fort, und er fühlte, wie der
Sandsturm nun versuchte, ihm auch die anderen Kleider vom Leib zu
reißen.
Dann war plötzlich ein riesiger, verzerrter Schatten neben ihm. Andrejs Augen waren längst nicht mehr fähig, klar zu sehen. Er sah nur
etwas Dunkles, sich hektisch Bewegendes, das sich aller Logik zum
Trotz gegen diesen Höllensturm stemmte, schließlich griff eine
schwarze, unvorstellbar starke Hand nach seinem Arm, zerrte ihn mit
unwiderstehlicher Kraft in die Höhe und mit sich. Instinktiv schrie
Andrej Abu Duns Namen, doch die Worte verhallten ungehört und
gingen im brüllenden Crescendo des Sturmes einfach unter. Er wurde
weitergezerrt, fiel abermals, wurde wieder auf die Füße gerissen und
prallte plötzlich gegen ein hartes Hindernis, das vollkommen unerwartet aus der sandbraunen Dunkelheit vor ihm auftauchte.
Stein! Das war Stein! Sie hatten das Haus erreicht!
Wie ein Raubtier, das sich um seine schon sichere Beute betrogen
glaubt, nahm der Sturm noch einmal an Gewalt zu und hämmerte
nun mit solcher Macht auf seinen Rücken ein, dass Andrej hilflos
gegen den rauen Sandstein gepresst wurde, aus dem plötzlich ebenfalls Tausende winziger, gelber und roter Fünkchen zu springen
schienen. Es waren Sandkörner, die mit unvorstellbare Wucht dagegenprallten. Nicht einmal Andrejs gewaltige Kraft reichte, um es mit
der des Sturmes aufzunehmen und sich zu bewegen.
Wieder war es Abu Dun, der ihn weiterzerrte. Was von seinem Gesicht noch unversehrt geblieben war, das zerschrammte er sich nun
am rauen Sandstein des Zikkurats. Dann, nach einer Ewigkeit, waren
zuerst Abu Dun und der glühende Fels unter seinen Fingern verschwunden, und nur einen halben Atemzug später stieß ihn der Nubier durch den niedrigen Eingang.
Vollkommene Dunkelheit nahm ihn auf. Das Heulen des Sturmes
erlosch. Andrej tastete sich blind durch einen Raum, von dem er nur
spürte, dass er sehr niedrig und nicht besonders groß sein musste,
dann prallte er gegen ein Hindernis, verlor endgültig das

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