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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seinen Durst.
»Trink ruhig«, sagte Abu Dun, nachdem Andrej den Beutel fast zu
einem Drittel geleert hatte und ihn zurückreichen wollte. »Es ist genug da.«
Andrej reagierte darauf mit einem Stirnrunzeln, setzte den Schlauch
aber trotzdem sofort wieder an und nahm noch ein halbes Dutzend
weiterer, großer Schlucke. Sehr viel besser wurde es auch damit
nicht. Zwischen seinen Zähnen knirschte noch immer Sand, und er
fühlte sich kein bisschen weniger durstig als zuvor. Aber er wusste
auch, dass er sich keinen Gefallen damit täte, wenn er jetzt zu viel
und vor allem zu gierig trank.
Sorgsam verschloss er den Schlauch, reichte ihn Abu Dun endgültig
zurück und fragte mit einer entsprechenden Kopfbewegung: »Woher
hast du das?«
Abu Dun ignorierte die Frage. »Wie fühlst du dich?«
Statt sofort zu antworten, setzte sich Andrej ein wenig weiter auf,
hob die Hände vor das Gesicht und drehte sie hin und her. Sie sahen
unversehrt aus, was ihn nicht weiter erstaunte, aber der Stoff seines
Mantels bot einen Anblick, als wären sämtliche hungrige Motten des
Orients auf einmal darüber hergefallen, um sich daran gütlich zu tun.
Er bestand im Grunde nur noch aus Fetzen, unter denen man seine
sonnengebräunte Haut erkennen konnte.
Noch immer ohne auf Abu Duns Frage zu antworten, tastete er mit
den Fingerspitzen über sein Gesicht. Es war ebenso unversehrt wie
seine Hände, aber schon die bloße Berührung reichte aus, um ihm
den grässlichen Schmerz wieder in Erinnerung zu rufen.
Abu Dun lachte leise. »Leider habe ich keinen Spiegel, damit du
dich selbst davon überzeugen kannst«, sagte er, »aber ich versichere
dir, dass die letzte Nacht deiner Schönheit keinen Abbruch getan hat,
Sahib.«
»Was war das?«, fragte Andrej. Schon die bloße Erinnerung an die
zurückliegenden Ereignisse reichte aus, ihm einen eisigen Schauer
über den Rücken laufen zu lassen. »Ein… wie war doch gleich das
Wort?«
»Khamsin«, half ihm Abu Dun aus und nickte. »Ja. Und zwar der
schlimmste, den ich jemals erlebt habe. Eigentlich müssten wir tot
sein.«
»Irgendwie sind wir es ja auch«, erwiderte Andrej, »und zwar
schon seit vielen Jahrzehnten.«
Abu Dun blieb ernst. »Nur ein paar Schritte weiter draußen, und
nicht einmal wir hätten das überlebt.«
»Ich weiß«, bestätigte Andrej, während er sich weiter aufsetzte. Die
Bewegung fiel ihm sonderbar schwer. Statt sich ganz zu erheben,
was er eigentlich vorgehabt hatte, rutschte er nur ein Stück zurück
und bettete Hinterkopf und Schultern gegen den rauen Stein der
Wände. »Wenn du mich nicht hier hereingezerrt hättest…«
»Ich war das nicht«, sagte Abu Dun.
Andrej sah ihn zweifelnd an. »Aber ich habe doch genau gesehen,
dass…«
»Ich bin nach dir hier hereingekommen«, unterbrach ihn Abu Dun
mit einem abermaligen, bekräftigenden Kopfschütteln. Mit gespieltem Zorn setzte er hinzu: »Um deinetwillen hätte ich mir fast den
Schädel eingeschlagen, Hexenmeister. Du hast so lang und breit direkt hinter den Tür gelegen und geschnarcht, dass ich gestolpert und
mit dem Kopf gegen die Wand geprallt bin.«
»Das tut mir Leid«, sagte Andrej, »aber sieh es doch einmal von der
guten Seite: Du hättest unglücklich stürzen und dir einen wirklich
wichtigen Körperteil verletzen können… und was soll das heißen, du
bist nach mir hereingekommen? Ich habe dich doch genau erkannt!«
»Nicht einmal du kannst während eines Khamsin sehen, Hexenmeister«, beharrte Abu Dun. »Wen immer du erkannt haben willst,
ich war es nicht.«
Andrej wollte erneut widersprechen, beließ es dann aber dabei, nur
noch einmal mit den Schultern zu zucken und sich stattdessen zum
ersten Mal seit seinem Erwachen wirklich aufmerksam im Inneren
des kleinen Sandsteingebäudes umzusehen. Abu Dun musste sich
täuschen, oder er nahm ihn auf den Arm. Andrej war jedenfalls vollkommen sicher, dass niemand anderes als er es gewesen sein konnte.
Aber es war auch nicht das erste Mal, dass der Nubier ihn aus einer
gefährlichen Situation rettete und es hinterher glattweg abstritt. Das
war wohl seine falsch verstandene Auffassung von Bescheidenheit.
Was Andrej im Inneren des Zikkurats sah, das entsprach nicht im
Geringsten dem, was er erwartet hatte. Nachdem Abu Dun behauptet
hatte, an diesem Ort gäbe es Wasser, wäre es nur logisch gewesen,
einen Brunnen zu entdecken, vielleicht auch nur eine ummauerte
Quelle.
Der Boden war jedoch fugenlos und bestand aus massivem Sandstein, den unzählige Füße über Hunderte von

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