Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
erschrocken war, dann drehte er sich um und ging wieder
zur Ecke des Gebäudes zurück, von wo aus er einen guten Überblick
über das gesamte Tal hatte. »Ich schlage vor, dass wir rasch aufbrechen. Es ist noch früh, aber in ein paar Stunden wird es zu heiß zum
Reiten sein.«
Andrej dachte schaudernd an die gestrige Mittagshitze. »Warum
warten wir die heißeste Zeit des Tages nicht im Schatten ab?«, fragte
er mit einer Kopfbewegung auf die einladend offen stehende Tür des
Zikkurats. Der Blick des Nubiers folgte seiner Geste, und Andrej
meinte, so etwas wie ein flüchtiges Schaudern wahrzunehmen, das
seinen Freund durchlief. Auch ihm selbst war nicht ganz wohl bei
dem Vorschlag, den er gemacht hatte. Das Gebäude mochte ihnen
zuverlässigen Schutz vor der Sonne bieten, aber dort drinnen war
etwas, das ihm Angst machte.
»Das würde uns zu viel Zeit kosten«, sagte Abu Dun schließlich.
»Wir haben zwar jetzt genügend Wasser, aber vor uns liegt auch
mindestens noch ein Tagesritt. Wahrscheinlich mehr.«
»Ein Tagesritt - wohin?«, wollte Andrej wissen.
Der nubische Riese machte eine flatternde Handbewegung in die
ungefähre Richtung, aus der sie gekommen waren. »Ich habe über
das nachgedacht, was Meruhe gesagt hat. Ich glaube, ich weiß, wo
ihr Dorf liegt.« Er sah Andrej auffordernd an und schien darauf zu
warten, dass dieser eine Frage stellte, fuhr aber dann fort: »Sie hat
von Höhlen gesprochen. Höhlen gibt es nur im Gebirge, und all diese
Menschen brauchen Wasser und halbwegs fruchtbaren Boden, um
ihre Herden zu weiden oder Ackerbau zu betreiben. In der Richtung,
in die wir gezogen sind, bevor sie auf die verrückte Idee gekommen
ist, hierher zu gehen, liegt nur ein Ort, der dieser Beschreibung entspricht.«
»Und dort willst du hin?«, fragte Andrej verwundert. Natürlich
würden sie dorthin gehen. Für ihn stand es außer Frage. Er hätte sich
selbst ohne Abu Duns Beschreibung auf die Suche nach Meruhes
Dorf gemacht, war aber doch einigermaßen erstaunt, dass ausgerechnet der Nubier diesen Vorschlag machte. So, wie er bisher über Meruhe gesprochen hatte, hätte er erwartet, dass er versuchen würde,
eine möglichst große Entfernung zwischen sich und seine Landsmännin zu legen.
»Nein«, schmunzelte Abu Dun. »Aber du, oder?«
Andrej nickte, und Abu Dun drehte sich mit einem Ruck um und
ging mit schnellen Schritten zu den Pferden zurück. »Dann habe ich
ja wohl gar keine andere Wahl mehr, als dich zu begleiten«, sagte er,
während er sich in die Hocke sinken ließ und die Fußfesseln der Tiere aufzuknoten begann. »Schließlich weiß ich ja, was passiert, wenn
ich dich allein losziehen lasse. Du brauchst garantiert nicht einmal
einen Tag, um dich wieder in Schwierigkeiten zu bringen.«
Andrej sparte sich jede Antwort darauf.
    Sie hatten Meruhes Dorf weder an diesem Abend noch an den darauf folgenden erreicht. Abu Dun hatte es nicht zugegeben, aber Andrej war dennoch nicht entgangen, dass sie sich wohl abermals verirrt
hatten. In der Richtung, in der sie aufgebrochen waren, gab es kein
Gebirge, und schon gar kein Wasser. Erst nach drei endlosen Tagen,
in denen sie sich durch die Sonnenglut der Wüste geschleppt und
ihren immer bedrohlicher zusammenschrumpfenden Wasservorrat
aufgezehrt hatten, erreichten sie eine Oase, deren Bewohner sie mit
der für dieses Land typischen Gastfreundschaft aufnahmen und bewirteten und ihnen am nächsten Tag nicht nur den Weg beschrieben,
sondern ihnen auch einen Führer mitgaben, der sie aus der Wüste
herausbrachte. Andrej hatte sich ein paar spitze Bemerkungen, Abu
Duns Orientierungssinn betreffend, nicht verkneifen können, und der
Nubier hatte entsprechend beleidigt reagiert und während der letzten
Wegstrecke überhaupt nicht mehr mit ihm gesprochen.
    Irgendwann aber waren sie aus der Wüste heraus und wieder in ein
dichter von Menschen besiedeltes Gebiet gekommen. Noch einmal
Tage danach hatten sie die Ufer des Nils erreicht und dessen fruchtbare, vor wucherndem, üppigem Grün dominierte Uferstreifen als
eine wahre Erlösung betrachtet, die aufzugeben sie in nächster Zeit
nicht mehr so schnell bereit waren. Also blieben sie wann immer
möglich in Sichtweite des riesigen Flusses, an dem sich bebaute und
sorgfältig bewässerte Flächen, kleine Dörfer und große Städte in einem bunten Reigen abwechselten, als gäbe es nicht auf beiden Seiten
die staubtrockene Wüste, die sich gierig nach dem Grünstreifen hin
auszudehnen versuchte. Bei ihren

Weitere Kostenlose Bücher