Die Verfluchten
häufigen Begegnungen mit den
unterschiedlichsten Menschen hatte Andrej sich immer wieder nach
Meruhe erkundigt, oder einem Dorf, das der Beschreibung entsprach,
die sie sich aus den wenigen, dürren Informationen zusammengereimt hatten, die sie besaßen, aber niemand hatte je von einer
schwarzhäutigen Frau mit rotem Haar gehört, geschweige denn von
einem Dorf, das sich ihrem Schutz anvertraut hätte.
Dafür begannen Andrejs neugierige Fragen mehr und mehr mindestens ebenso neugierige, aber auch unübersehbar misstrauische Blicke
nach sich zu ziehen, so hatte er es irgendwann aufgegeben, sie überhaupt zu stellen, und sich eher aufs Zuhören verlegt, wenn sie abends
in einer Karawanserei, einem Gasthaus oder auch einfach nur an einem Lagerfeuer beisammen saßen und Abu Dun - ohne dass er ihn
dazu hätte auffordern müssen - ein entsprechendes Stichwort gab,
woraufhin fast immer jemand zu erzählen begann. Andrej hörte in
dieser Zeit eine Menge interessanter Geschichten, aber keine davon
enthielt auch nur den geringsten Hinweis auf eine nubische Frau, die
in einem Dorf am Rande der Wüste lebte und seine Bewohner gegen
Sklavenhändler verteidigte, die es seit einem Jahrhundert heimsuchten.
Und irgendwann hörte er nicht nur auf, Fragen zu stellen, auch die
Stichworte, die Abu Dun gab, damit sie beantwortet wurden, ohne
ausgesprochen worden zu sein, wurden weniger. Andrej vergaß Meruhe nicht, aber die Erinnerung an sie beherrschte nun nicht mehr so
vollkommen seine Gedanken wie am Anfang, und schließlich begann
sie zu verblassen. Sie hatten das Gespräch, das sie an jenem Abend
in der Wüste geführt hatten, nie wieder fortgesetzt, aber vielleicht
hatte Abu Dun ja Recht gehabt. Vielleicht waren Wesen wie sie einfach nicht dafür geschaffen, das Leben eines Sterblichen zu teilen.
Was ihr Leben anging, so begann es schon bald wieder in seinen
nahezu gewohnten Bahnen zu verlaufen. In den Satteltaschen der
Pferde, die sie hinter dem Zikkurat gefunden hatten, waren auch zwei
Beutel mit einer kleinen Summe Geldes gewesen, die zwar nicht allzu lange vorgehalten hatte, immerhin aber lange genug, um sie aus
der Wüste heraus und zurück in die Zivilisation zu bringen, wo es
genügend andere Möglichkeiten gab, sich seinen Lebensunterhalt zu
verdienen; vor allem für Männer wie sie.
Vier Monate waren vergangen - vielleicht auch mehr. Andrej hatte
sein Gefühl für das Verstreichen der Zeit zwar nicht in der Wüste
verloren, wie er anfangs befürchtet hatte, wohl aber sein Interesse daran. Dieses Land mit seinen so gut wie nie wechselnden Jahreszeiten, seinem ewig gleichen, wolkenlos blauen Himmel und seiner ungeheuren Größe und Weite machte es bedeutungslos, ob ein Tag verstrichen war, eine Woche oder ein Jahr. Es machte auch ihre Ziele
bedeutungslos. Als sie von Malta aus kommend zuerst Sizilien erreicht hatten und dann nach Akkon übergesetzt waren, da hatte Abu
Dun vorgehabt, sie ins Land seiner Väter zu bringen, das sagenumwobene schwarze Königreich am Oberlauf des Nils, und manchmal
sprachen sie auch jetzt noch davon, verfolgten dieses Ziel aber nicht
mit sonderlichem Nachdruck. Das Reich der schwarzen Pharaonen
würde auch im nächsten Jahr noch existieren.
Irgendwann hatten sich Andrej und Abu Dun als Leibwächter eines
reichen arabischen Kaufmanns verdungen und begleiteten ihn auf
seinen Reisen, die den Vorteil hatten, niemals zu weit weg von dem
grünen Gürtel zu führen, der den Nil auf seinen beiden Seiten umrahmte. Was sich zuerst wie ein abwechslungsreiches und interessantes Angebot angehört hatte, hatte sich allerdings schon allzu bald als
eher langweilige Aufgabe herausgestellt. Mustafa Bo, ihr neuer
Dienstherr, war nicht so reich, wie er vorgab, und nicht einmal annähernd so mächtig, wie er behauptete. Andrej war schon bald zu dem
Schluss gekommen, dass er die beiden Furcht einflößenden Leibwächter, die er in seine Dienste genommen hatte, viel weniger benötigte, weil er tatsächlich um Leib und Leben fürchtete, sondern wohl
hauptsächlich, um damit anzugeben.
Nicht, dass Andrej etwas dagegen gehabt hätte. Nach allem, was
hinter ihnen lag, genoss er es, zumindest für eine Weile einmal nicht
ununterbrochen kämpfen und töten zu müssen, sondern einfach Zeit
verstreichen zu lassen, in der seine größte Sorge die Frage war, wo
sie die nächste Nacht verbringen und wie sie ihr nächstes Essen bezahlen sollten. Der Lohn, den Mustafa ihnen zahlte, war
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