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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht in der Öffentlichkeit und
nicht in so scharfem Ton taten. Seit einer Weile - er konnte nicht
sagen, seit wann, aber es war noch nicht sehr lange her - hatten sie
die Seiten gewechselt. Früher war es stets Abu Dun gewesen, der
behauptete, im Grunde seines Herzens ein friedfertiger Mann zu sein
und all diese gefährlichen Abenteuer und Reisen nur auf sich zu
nehmen, um ihn, Andrej, zu beschützen, doch in letzter Zeit schien es
gerade andersherum zu sein. Andrej hatte ihn ein paarmal davon abhalten müssen, einfach einen Streit vom Zaun zu brechen, und er
hatte immer öfter das sichere Gefühl, dass Abu Dun geradezu auf
einen Vorwand wartete, um sich in ein haarsträubendes und selbst für
ihn lebensgefährliches Abenteuer zu stürzen.
Statt zu antworten, griff er wieder nach seinem Tee, leerte die Tasse
mit einem großen Schluck und hob noch aus der gleichen Bewegung
heraus die Hand, um eine neue zu bestellen. Er bekam keine Antwort, und er vermochte auch nicht zu sagen, ob irgendjemand die
Bewegung überhaupt gesehen hatte. Dennoch war er sicher, dass
seine Bestellung aufgenommen worden war und binnen kürzester
Zeit erfüllt werden würde. Das Gasthaus war groß für hiesige Verhältnisse, wirkte aber beengt, weil der Raum hoffnungslos überfüllt
war. In dem lärmenden, bunten Durcheinander, in dem sich viel zu
viele Menschen auf viel zu wenig Platz drängten und ein Durchkommen fast unmöglich war, schien man einander nicht zu beachten.
Dennoch erfüllten der Wirt und seine Bediensteten alle Wünsche
ihrer Gäste in Windeseile, und sie mussten wohl überall unsichtbare
Augen haben, denn ihnen entging keine einzige leere Tasse, kein
geleerter Teller und keine Wasserpfeife, der die Glut auszugehen
drohte.
»Du widersprichst mir nicht, Hexenmeister?«, fragte Abu Dun und
nickte. »Ein weiterer Beweis dafür, dass ich Recht habe. Wie fast
immer übrigens.«
»Ja, sicher«, sagte Andrej. »Womit eigentlich?«
»Du beginnst zu verweichlichen«, behauptete Abu Dun. »Nicht,
dass das noch einen großen Unterschied machen würde oder du dir
Sorgen machen müsstest. Schließlich bin ich ja bei dir, um auf dich
aufzupassen. Aber du…« Er stockte mitten im Wort, zog die Augenbrauen zusammen und schien einen bestimmten Punkt irgendwo hinter Andrej zu fixieren; auf eine Art, als hätte er dort etwas äußerst
Beunruhigendes entdeckt.
Andrej begann möglicherweise zu verweichlichen, aber seine Reaktionen waren noch immer so schnell wie früher. Ohne dass man ihm
Hast oder gar Schrecken angemerkt hätte, trotzdem aber sehr schnell,
drehte er sich auf dem lehnenlosen Hocker um, und seine Hand glitt
mit einer blitzschnellen, trotzdem aber unauffälligen Bewegung unter
den Mantel und schloss sich um den Schwertgriff. Aber hinter ihm
war nichts. Nur ein Durcheinander aus Menschen in bunten Tüchern
und brodelnde Bewegung. Andrej musterte seine Umgebung sehr
aufmerksam, aber er bemerkte nichts Außergewöhnliches. Schließlich drehte er sich wieder zu Abu Dun um.
»Was ist los?«, fragte er.
Abu Dun machte ein ratloses Gesicht. »Nichts«, behauptete er. »Ich
dachte, ich hätte jemanden gesehen, den ich kenne, aber ich muss
mich wohl… getäuscht haben.«
Das fast unmerkliche Stocken in seiner Stimme entging Andrej keineswegs, aber er ging nicht weiter darauf ein. Wenn Abu Dun darüber sprechen wollte, würde er es tun. Dazu kam, dass sich Mustafa
Bo genau in diesem Moment zu ihnen umdrehte und kurz und befehlend die Hand hob, und da Andrej direkt in seine Richtung sah und
Abu Dun nicht, stand er auf und ging zu seinem Tisch hinüber. Der
Kaufmann wirkte ein bisschen enttäuscht, als hätte er Abu Dun erwartet und nicht ihn; offensichtlich hätte er lieber mit dem schwarzen
Hünen angegeben statt mit Andrej.
»Herr?«, fragte Andrej mit kühler Stimme und einem angedeuteten
Nicken, das gerade höflich genug war, um nicht als Beleidigung ausgelegt werden zu können.
»Ich möchte dir meinen Freund Salil as Salil ganz besonders ans
Herz legen«, sagte Mustafa Bo mit solch übertriebener Freundlichkeit, dass Andrej bei jeder anderen Gelegenheit nur die Augen verdreht hätte. »Gib bitte auf ihn Acht, als wäre er ich selbst, Andrej.«
Salil schien davon alles andere als angetan zu sein, doch er enthielt
sich jeden Kommentars und maß Andrej stattdessen mit einem langen, nicht unbedingt freundlichen Blick. »Andrej?«, wiederholte er.
»Das ist kein hiesiger Name. Woher kommst

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