Die Verfluchten
einstufte, hätte er es ihm längst gesagt; oder er wäre einfach aufgestanden und hinausgegangen, um sie zu beseitigen.
Der Weg zu Salils Herberge war tatsächlich nicht sehr weit. Zu einer anderen Tageszeit hätten sie nur wenige Minuten dorthin gebraucht, doch die Straßen waren so voller Menschen, dass sie trotz
aller Mühe nur langsam vorwärts kamen. Andrej schätzte, dass Mustafa eine gute Stunde auf sie würde warten müssen, selbst wenn sie
sich in Salils Unterkunft nicht besonders lange aufhielten.
Das heruntergekommene Gasthaus lag in einer schmalen Seitenstraße, die zu einem Viertel gehörte, gegen das selbst die bescheidene Gegend, in der das Gasthaus lag, in dem Mustafa auf sie wartete,
geradezu wohlhabend wirkte. Die Häuser waren kleiner und schmaler und vor allem schmutziger, es gab nahezu ebenso viele Handwerker und Marktschreier, die ihre Waren feilboten, aber sie waren von
gänzlich anderer Art. Andrej war sicher, dass nicht alle Frauen, die
ihnen zuwinkten und mit bunten Tüchern Schalen voller Datteln oder
Weintrauben und Brot präsentierten, auch tatsächlich nur ihre Waren anboten. Nicht wenige der Männer, die in offenen Türen lungerten,
auf den Treppen davor saßen oder ihnen entgegenkamen, blickten
ihnen finster nach.
Wenn Salil tatsächlich eine ganze Kiste voller Edelsteine besaß,
wie Mustafa behauptet hatte, dann wollte er lieber gar nicht wissen,
woher sie stammten. Das Gasthaus jedenfalls, in das der Händler sie
führte, sah ganz so aus, als könne man es schon mit einem einzigen
Edelstein kaufen. Mit einem nicht besonders großen.
Salils Zimmer lag im zweiten Stock des schmutzigen Gebäudes,
dessen ganze untere Etage von einem schäbigen Gastraum beherrscht
wurde, in dem es nach süßem Honig, starkem Tee und dem aromatischen Duft von Wasserpfeifen roch.
Nur wenige Gäste saßen an den niedrigen Tischen oder auch auf
dem Boden, und sie alle unterbrachen ihr Gespräch, als Abu Dun und
er hinter Salil eintraten. Auf den Gesichtern der ausnahmslos männlichen Gäste zeichnete sich das gewohnte, mit Schrecken gemischte
Erstaunen ab, das ihnen immer begegnete, wenn Abu Dun irgendwo
das erste Mal auftauchte, und zwei der Männer sprangen auf und
kamen ihnen mit schnellen Schritten entgegen. Beide waren größer
als Andrej (was nichts daran änderte, dass Abu Dun sie trotzdem mit
Leichtigkeit überragte) und von muskulösem Wuchs. Sie hatten bärtige, harte Gesichter und Hände, denen man ansah, dass sie zupacken
konnten.
»Was bedeutet das?«, wandte sich Andrej an Salil.
»Das sind meine Leibwächter!« Salil klang eher trotzig als herausfordernd. »Nicht nur euer Herr ist ein vorsichtiger Mann. Es sind
gefährliche Zeiten. Ich muss meine Ware und mein Leben schützen.«
»Das war nicht vereinbart«, sagte Abu Dun. Die beiden Männer,
die sich ihm genähert hatten, wichen nun nach rechts und links auseinander, in dem geradezu erbärmlichen Versuch, ihre Bewegung
wie zufällig aussehen zu lassen.
Salil wandte sich zwar an Abu Dun, deutete dabei aber auf Andrej.
»Es war nicht vereinbart, dass uns ein Christ begleitet.«
Bei diesem Wort verstummte auch das allerletzte Gespräch im
Raum, und Andrej sah, wie Abu Dun leicht zusammenfuhr und
plötzlich Mühe hatte, seinen Zorn zu unterdrücken. Er glaubte nicht,
dass Salil dieses Wort einfach so entschlüpft war.
»Wir haben Mustafa Bo die Treue geschworen«, sagte Andrej
rasch, bevor Abu Dun antworten konnte.
»Du bist ein Christ«, wiederholte Salil, als sei das Erklärung genug.
Möglicherweise war es das in seinen Augen auch.
»Das ist wahr«, sagte Andrej ruhig. Jeder andere Mann an seiner
Stelle hätte jetzt vielleicht den Mantel zurückgeschlagen, um seine
Waffe sichtbar werden zu lassen, oder die Hand wie zufällig auf den
Schwertgriff gelegt, doch Andrej tat das Gegenteil. Er hatte keine
Angst. Er war nicht einmal beunruhigt, aber er wollte keinen Streit.
Schon gar nicht, da er spürte, dass Salil ihn sehr wohl wollte. Statt
etwas zu tun, was den vermeintlichen Kaufmann oder seine beiden
Männer reizen konnte, verschränkte er die Finger hinter dem Rücken
und fuhr in ernstem Ton, aber auch mit einem Lächeln, fort: »Sagt,
edler Salil as Salil, wenn ein Sohn Mohammeds einem Christen die
Treue schwören würde, würde er diesen Schwur dann halten?«
»Selbstverständlich«, sagte Salil. Er wirkte überrascht.
»Was also bringt Euch auf den Gedanken, es wäre nicht umgekehrt
genauso?«, fragte
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