Die Verfluchten
löste sich für
einen Moment vom Gesicht des Jungen und suchte nach dem Bewusstlosen, und was Andrej in seinen Augen las, das ließ ihm einen
kalten Schauer über den Rücken laufen.
»Ich bin nicht sicher, dass es wirklich dieser Kerl war«, sagte er.
»Aber wir finden es heraus.«
Abu Dun wirkte weder überzeugt noch beruhigt, aber schließlich
stand er endgültig auf und verließ vor Andrej das Haus.
Die Gasse draußen war voll gestopft mit Menschen, die aber hastig
zurückwichen, als der riesenhafte Nubier aus der Tür trat. Andrej
konnte die aufgebrachte, aggressive Stimmung, die die Menge ergriffen hatte, fast mit Händen greifen, aber niemand wagte es, sie aufzuhalten. Dennoch war Andrej alles andere als glücklich über die Situation. Als ob sie mit Mustafa und seinem zwielichtigen Geschäftspartner nicht schon genug Ärger gehabt hätten, würde sich in kürzester Zeit herumsprechen, dass es einen Vorfall gegeben hatte, in den
ein nicht ganz arabisch aussehender Mann und ein riesenhafter
Schwarzer verwickelt waren, und was niemand gesehen oder gehört
hatte, das würde die übliche Gerüchteküche schon dazuerfinden. Andrej war ziemlich sicher, dass Abu Dun und er in der vergangenen
Woche ihren letzten Lohn als Leibwächter des fetten Kaufmanns
bekommen hatten. Was ihn zu der Frage brachte, wie Abu Dun überhaupt auf den Jungen aufmerksam geworden war. Sie beide verfügten über ausgesprochen scharfe Sinne, was aber nicht bedeutete, dass
sie über so große Distanz in der Lage waren, jemanden aufzuspüren;
ganz gleich, ob sie ihn gut oder nur äußerst flüchtig kannten, wie im
Falle des bedauernswerten Jungen.
Aber es sollte ihn nicht wundern, wenn Abu Dun ihm diese Frage
weder beantworten konnte noch wollte. Es wäre nicht das erste Mal,
dass Andrej hinnehmen musste, dass etwas den Nubier scheinbar
grundlos dazu gebracht hatte zu handeln, ohne später eine plausible
Erklärung dafür abgeben zu können. Was aber nicht bedeutete, dass
Andrej ihn so leicht davonkommen lassen wollte. Bei der passenden
Gelegenheit würde er ihm dazu ein paar Löcher in seinen nicht unerheblichen Bauch fragen.
Jetzt jedoch wäre dafür der absolut falsche Zeitpunkt. Sie beeilten
sich, die Gasse endgültig zu verlassen und sich auf den Rückweg zu
machen. Andrej, dessen Orientierungssinn bei dem Labyrinth aus
Gässchen, Straßen, Winkeln und Durchgängen, aus dem das Basarviertel bestand, längst aufgegeben hatte, eilte mit weit ausholenden
Schritten hinter Abu Dun her, und es verging eine geraume Weile,
bis ihm auffiel, dass dies eindeutig nicht der Weg war, den sie vorhin
genommen hatten. Rasch schloss er zu Abu Dun auf und machte eine
fragende Handbewegung. »Hast du dich schon wieder verirrt?«
Abu Dun antwortete gar nicht, sondern stürmte mit steinernem Gesicht weiter.
»Das ist nicht der Weg zurück zum Gasthaus«, sagte Andrej nun
etwas lauter und in nicht mehr scherzhaftem Ton. »Dahin will ich
auch nicht«, erwiderte Abu Dun. »Sondern zum Sklavenmarkt«,
vermutete Andrej. Warum fragte er überhaupt?
»Du musst mich nicht begleiten«, sagte Abu Dun eisig. »Geh ruhig
zurück zu deinem Dienstherrn und gib Acht, dass er nicht von einer
wütenden Dattel gebissen wird.«
»Sei vernünftig, Abu Dun. Ich will genau wie du wissen, was passiert ist. Aber wir erreichen nichts, wenn wir blindlings drauflosstürmen.«
Andrej hatte nicht im Geringsten damit gerechnet, dass Abu Dun
seine Worte auch nur zur Kenntnis nehmen würde, doch zu seiner
Überraschung blieb der Nubier stehen und sah aus eng zusammengekniffenen Augen auf ihn herab. »Und was schlägst du vor, oh großer
weiser Mann aus dem Abendland?«
Andrej blieb ernst. »Lass uns zu Mustafa zurückgehen und ihm dabei helfen, seinen Handel abzuschließen. Heute Abend, wenn alle
feiern, können wir immer noch hierher zurückkommen und versuchen, mehr herauszufinden.« Abu Dun wollte widersprechen, doch
Andrej schnitt ihm das Wort ab und deutete mit der gleichen Geste in
die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Hinter ihnen
herrschte immer noch eine gewisse Aufregung, obwohl sie mittlerweile zwei oder drei Straßen von dem schmalen Seitengässchen entfernt waren. »Im Moment ist es einfach zu gefährlich. Oder möchtest
du der Stadtwache erklären, warum du diesen Fasil halb tot geschlagen hast?«
»Weil ich ihn nicht richtig getroffen habe«, sagte Abu Dun, und
Andrej spürte, dass das sein voller Ernst war. Verärgert
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