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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schüttelte er
den Kopf. »Du kannst den Kerl meinetwegen hinterher in Stücke
reißen, wenn dir danach ist«, sagte er, und das war sein voller Ernst,
»aber im Moment erfahren wir auf diese Weise nichts. Lass uns abwarten, bis Mustafa seinen Handel abgeschlossen hat und betrunken
ist. Wahrscheinlich weiß er mehr über den Sklavenmarkt, als wir auf
eigene Faust herausfinden können.«
Abu Dun dachte sichtlich angestrengt über diesen Vorschlag nach.
Schließlich nickte er widerwillig, und Andrej konnte sehen, wie wenig wohl ihm dabei war. Ihm selbst erging es nicht besser. Auch er
wäre am liebsten losgestürmt, um den Sklavenmarkt zu suchen und
vor allem den Händler, von dem Fasil den Jungen angeblich gekauft
hatte. Aber sie hatten für einen Tag schon mehr Aufsehen erregt, als
gut war.
Es sollte nicht das letzte bleiben.
    Genau wie Andrej vorausgesehen hatte, war Mustafa nicht begeistert darüber, dass die beiden Leibwächter, die er seinem Handelspartner mitgegeben hatte, eine geraume Weile nach diesem zurückkamen, und noch viel weniger war er begeistert über den Umstand,
an ihrer Stelle zwei zwielichtige Gestalten an Salil as Salils Seite zu
sehen.
    Er war allerdings auch nicht annähernd so verärgert, wie Andrej befürchtet hatte. Statt ihnen Vorhaltungen zu machen oder sich wie
sonst üblich in endlosem Gejammer über die Schlechtigkeit der Welt
im Allgemeinen und seine und Abu Duns Unzuverlässigkeit im Besonderen zu ergehen, murmelte er nur ein paar - wie er meinte - ironische Bemerkungen und beließ es dabei, sie wieder an ihren Platz
am Nachbartisch zu scheuchen und Salils Begleitern Stühle an dem
seinen anzubieten. Vielleicht glaubte er ja, sie auf diese Weise kränken zu können.
    Andrej war in Wahrheit dankbar dafür. Mustafa und Said unterhielten sich mit gedämpften Stimmen, wobei Mustafa eine solche Verschwörermiene aufsetzte, dass es schon fast lächerlich wirkte, während seine beiden Begleiter Abu Dun und ihn nicht einen Moment
aus den Augen ließen. Andrej machte sich nicht die Mühe, den beiden Händlern zuzuhören. Seine Gedanken waren immer noch bei
dem Jungen. Auf dem Weg hierher hatte ihm sein schlechtes Gewissen zu schaffen gemacht, Paras einfach zurückgelassen zu haben, und
an diesem Gefühl konnte kein noch so triftiger Grund, warum sie gar
keine andere Wahl gehabt hatten, irgendetwas ändern. Viel mehr
aber beschäftigte ihn die Frage, wie der Junge überhaupt hierher
kam, ins Haus dieses arabischen Zuhälters und vor allem auf den
Sklavenmarkt.
    Und ob er allein gewesen war.
Andrej fand auf keine dieser Fragen eine Antwort; zumindest keine,
die ihn beruhigt hätte. Er bedauerte es jetzt fast, Fasil nicht doch
selbst verhört zu haben, oder Abu Duns erstem Impuls gefolgt und
zum Sklavenmarkt gegangen zu sein. Auch in diesem Punkt machte
ihm sein Verstand klar, dass sie richtig gehandelt hatten. Dass sie
ungeschoren wieder aus der Gasse entkommen waren, grenzte ohnehin an ein kleines Wunder. Andrej kannte sich zur Genüge in Gegenden wie dieser aus, um zu wissen, dass es dort nicht unbedingt nach
Recht und offiziellen Regeln zuging. Die Menschen, die dort lebten,
schätzten es im Allgemeinen nicht besonders, wenn Fremde auftauchten und sich in ihre Dinge einmischten; nicht einmal dann,
wenn sie ihnen insgeheim Recht gaben.
Auf diese Weise verging noch einmal eine geraume Zeit, bis sich
Mustafa und Salil as Salil endlich einig geworden waren und ihren
Handel mit der hier üblichen, von einer komplizierten Abfolge von
Handbewegungen begleiteten Verbeugung besiegelten, die von Europäern so gerne mit dem Schlagen des Kreuzzeichens verwechselt
wurde. Salil händigte Mustafa das Kästchen aus und bekam von ihm
dafür zwei prall gefüllte Lederbeutel, die aussahen und sich anhörten,
als enthielten sie eine stolze Anzahl goldener Münzen. Danach zogen
er und seine beiden Begleiter sich betont langsam zur Tür zurück,
aber Andrej entging nicht, wie schwer es ihnen fiel, äußerlich Ruhe
zu bewahren. Das instinktive Misstrauen, das er Salil die ganze Zeit
über entgegengebracht hatte, wurde noch stärker.
Kaum war der Händler gegangen, da ließ sich Mustafa wieder auf
seinen Stuhl fallen und winkte Abu Dun und ihn aufgeregt heran.
»Kommt, setzt euch«, sagte er, als sie seiner Aufforderung ohne Eile Folge leisteten. Seine linke Hand umklammerte das kleine Kästchen, das Salil ihm ausgehändigt hatte, während er mit der anderen
dem Wirt ein Zeichen

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