Die Verfuehrerin
denken viele.« Sie blickte ihn immer noch mit diesem strahlenden Lächeln an, mit dem sie in Mexiko einen Gefängniswärter dazu überredet hatte, ihr eine Zelle aufzusperren.
Asher meinte verdrießlich: »Wir wollen hier nur eine kurze Rast einlegen. Also sagen Sie keinem, daß sie hier im Hotel abgestiegen ist.«
»Das fällt mir nicht einmal im Traum ein«, gab der junge Mann mit geweiteten Augen zurück. »Von mir erfahren sie keinen Ton.«
Mit immer noch mürrischem Gesicht nahm Asher Christianas Arm und führte sie die Treppe hinauf, während Chris dauernd über die Schulter blickte und dem jungen Mann vom Empfang zulächelte. »Ich wünschte, Sie hätten das nicht getan«, sagte Asher, als sie vor der Tür von Christianas Zimmer anlangten. »Ihr Vater war besorgt, daß Lanier Ihnen etwas antun könnte. Zwar haben Sie nichts über ihn veröffentlicht; gleichwohl besteht die Möglichkeit...«
Chris lächelte ihn an. »Ich wollte doch nur wissen, ob mein Name auch hier, im äußersten Westen, bekannt ist. Das ist alles.«
»Nun ja, dagegen kann niemand etwas haben. Aber jetzt ruhen Sie sich lieber aus, Chris. Ich werde inzwischen für Sie ein Bad vorbereiten lassen.«
Sobald Chris in ihrem Zimmer war, blickte sie in den Spiegel. Nicht übel, dachte sie. Eine Wäsche und ein Kamm sollten sie präsentabel machen.
»Wenn du den Leuten sagst, wer du bist«, sprach sie zu ihrem Spiegelbild, »und sie das Gefühl haben, dich zu kennen, besteht die Möglichkeit, daß du von ihnen erfährst, was du wissen möchtest.«
Nach einer Stunde war sie gebadet und gekämmt und hoffte, der junge Mann vom Empfang hatte reichlich Gelegenheit gehabt, den Leuten zu erzählen, wer soeben in seinem Hotel abgestiegen war. Als sie in die Lobby hinunterkam, blieben die Leute stehen und sahen sie an. Und dann konnte sie hören, wie sie flüsterten: »Ist die das?«
Chris lächelte in sich hinein und trat hinaus ins helle Sonnenlicht. Sie schien sich an einen Laden für Damenmoden in der Hauptstraße zu erinnern. Wenn es eine Stelle gab, wo man hören konnte, was in einer Stadt so geredet wurde, dann war es dieser Laden.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte die Verkäuferin. Doch ehe Chris diese Frage beantworten konnte, ging die Ladentür auf, und drei Damen kamen herein. Kaum hatten sie die Tür hinter sich zugemacht, als noch zwei Ladies den Laden betraten, denen vier weitere auf dem Fuß folgten. Der kleine Laden war überfüllt, als Chris sich in eine Ecke begab, um dort ein paar Hüte anzuprobieren.
»Ihr werdet euch wundern, wer heute in unsere Stadt gekommen ist«, sagte eine der Ladies mit lauter Stimme in die Richtung, wo Chris stand. »Natürlich wollte ich es selbst erst nicht glauben, als Jimmy zu mir sagte, Nola Dallas sei bei ihm abgestiegen. Ihr wißt schon, die Lady, die sich in einer Anstalt für Geisteskranke einsperren ließ, um berichten zu können, wie es dort zugeht.«
»Und sie hat auch geschrieben, daß eine anständige Frau heutzutage nachts nicht mehr allein auf die Straße gehen kann.«
»Und in Mexiko hätte man sie fast umgebracht wegen der Sachen, die sie über die Regierung des Landes verbreitete«, sagte eine dritte Frau.
»Wie schrecklich gern ich sie doch kennenlernen würde«, seufzte eine vierte.
Darauf folgte eine lange, gespannte Pause, und Chris wußte, daß man von ihr eine Reaktion erwartete. Als hätte sie gar nicht bemerkt, daß man über sie geredet hatte, probierte sie noch einen Hut auf, setzte ihn wieder ab und ging auf die Tür zu. Sie hatte die Klinke schon in der Hand, als sie sich zu den Damen umdrehte, die sie ungeniert anstarrten, und leise sagte: »Ich bin Nola Dallas.«
Danach öffneten sich alle Schleusen. Chris wurde fast gewaltsam wieder in den Laden hineingezogen und tausend Sachen auf einmal gefragt.
»Haben Sie wirklich diese Serie über Scheidungen verfaßt?«
»Haben Sie tatsächlich diese drei Tage im Gefängnis verbracht?«
»Hatten Sie denn gar keine Angst, als Sie diesen Lobbyisten und alle diese Politiker verhaften ließen?«
Chris bemühte sich, alle diese Fragen auf einmal zu beantworten. Und dabei wartete sie auf die Enthüllungen, deretwegen sie das Ganze inszeniert hatte.
»Wir wissen natürlich, daß uns das nichts angeht; aber Sie sollten in der Auswahl Ihrer Reisebegleiter etwas vorsichtiger sein«, sagte eine der Ladies mit in die Luft gereckter Nase.
Es wurde ganz still im Laden. »Oh?« sagte Chris mit so viel Unschuld, wie sie in diesen Ton
Weitere Kostenlose Bücher