Die Verfuehrerin
an einer Antwort interessiert. »Wer würde für Sie beide Geld bezahlen?«
»Niemand würde für uns Geld bezahlen«, sagte Pilar leise. »Aber jemand könnte bereit sein, mit seinem Leben zu bezahlen, um uns wiederzufinden. Und das wird ihm auch gelingen.«
Dysan musterte Pilar ein paar Sekunden mit einem hitzigen, hochmütigen Blick. »Sie mögen recht haben, aber das wollen wir doch erst einmal abwarten, nicht wahr? Und jetzt, fürchte ich, habe ich keine Zeit mehr für Sie. Man wird Sie wieder in ihr Zimmer hinaufbringen, und dort werden Sie warten.«
»Warten worauf?« fragte Chris.
»Auf meinen Beschluß, was mit Ihnen geschehen soll«, sagte Dysan, ehe er aufstand und das Zimmer verließ. Chris wickelte rasch ein paar Scheiben von dem Braten in ein Taschentuch und schob das Päckchen in die Tasche ihres Kleides. Kurz darauf kamen schon die beiden Männer, die sie entführt hatten, und geleiteten sie zurück in den Vorraum und dann die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf.
»Was haben wir nun herausgefunden, außer daß wir unsere Mahlzeiten abbrechen müssen, wenn wir ihn ärgern?« fragte Pilar, als sie wieder allein in ihrem Zimmer waren. »Glauben Sie, daß er tatsächlich hundert Männer ausgeschickt hat, die auf unserer Fährte lauern und jeden Verfolger abfangen sollen? Oder meinen Sie, daß das nur eitle Prahlerei gewesen ist?«
Chris blickte aus dem Fenster und schätzte die Entfernung bis zum Boden hinunter. »Ich glaube, dieser Mann ist zu jeder Bosheit fähig. Weshalb sind wir hier?« jammerte sie mit einem Schluchzen in der Stimme. »Er weiß nicht, wer mein Vater ist; also hält er uns nicht fest, weil er ein Lösegeld will. Ich dachte, da er uns diese Kleider aufs Zimmer schickte, er wollte vielleicht etwas... etwas Körperliches von uns. Doch das scheint ihn nicht zu interessieren. Was will er dann von uns?«
»Vielleicht wissen Sie etwas, das er von uns erfahren möchte?«
»Natürlich«, antwortete Chris. »Er glaubt, ich wüßte, wo der verlorengegangene Schatz der Inkas ist. Wenn er etwas von uns wissen wollte, warum hat er uns dann beim Essen nicht danach gefragt?«
»Aber er fragte uns doch, ob wir meinten, daß Tynan uns hierher folgen würde«, sagte Pilar nachdenklich. »Glauben Sie, er hat es auf Ty abgesehen?«
Christianas Mund wurde zu einem Strich. »Mir scheint, die einzigen Leute, die es wirklich auf Tynan abgesehen haben, sind jene, die auf der Seite des Gesetzes und der Ordnung stehen. Ich glaube nicht, daß Dysan Tynan für ein Verbrechen oder für etwas festnehmen möchte, das er in den letzten acht Tagen mal wieder angestellt hat.«
Pilar blickte Chris eine Weile stumm an. »Sie haben ja einen mächtigen Zorn auf ihn. Was hat er Ihnen denn getan?«
»Oh- nur eine Närrin aus mir gemacht. Das ist alles.« Chris setzte sich aufs Bett. »Ich glaube nicht, daß Dysan hinter Tynan her ist. Wenn ja, hätte er keine so umständliche Methode gewählt, sondern sich seiner auf eine viel leichtere Art bemächtigen können. Er hätte ihn nur beim Picknick zu einem Duell mit dem Revolver einzuladen brauchen, und Tynan hätte diese Aufforderung mit Freuden angenommen. Nein, da muß es schon noch einen anderen Grund geben. Ich glaube, Dysan weiß, wer mein Vater ist, und wir werden festgehalten, weil er ein Lösegeld für uns verlangen will. Dann ergeben auch diese hundert bewaffneten Männer einen Sinn, die etwaige Verfolger abfangen sollen, denn Dysan möchte natürlich verhindern, daß jemand erfährt, daß er uns beide in seinem Haus gefangenhält.«
»Uns?« gab Pilar zurück. »Sie haben mir nie eine Erklärung geben wollen, warum ich hier gefangengehalten werde.«
»Wer weiß? Pilar, glauben Sie, daß wir den Boden erreichen könnten, wenn wir unsere Bettücher zusammenbinden?«
»Sind Sie wahnsinnig?« sagte Pilar, die ans Fenster getreten war. »Sehen Sie denn nicht die Männer mit den Gewehren dort draußen? Glauben Sie, die wollen Ihnen nur damit zuwinken, wenn sie aus dem Fenster klettern?«
»Und wenn wir mitten in der Nacht aus dem Fenster klettern?«
»Chris«, antwortete Pilar mit geduldiger Stimme, »lassen Sie uns hier sitzen und warten, bis Ihr Vater das Lösegeld bezahlt hat, und dann sind wir frei.«
Chris blickte die dunkelhaarige Frau eine Weile an. »Frei, damit wir Dysan als Kidnapper identifizieren können? Daß wir zu einem Bundesmarshai gehen und ihn als Kaptialverbrecher anzeigen und gegen ihn aussagen können? Nein, ich glaube nicht, daß er uns
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