Die verfuehrerischen Vier
mir im Leben nicht glauben würden, wenn sie es nicht mit eigenen Augen sahen. Als ob man den größten Fisch aller Zeiten fängt und ihn wieder ins Wasser schmeißt. »Klar, Fiona. Klar hast du im Angesicht eines umwerfenden Sonnenuntergangs mit Raul dem Adverbienkenner geredet.« »Wir sind den ganzen Tag zusammen gewesen. Aber jetzt ruhen wir uns mal ein bisschen voneinander aus.«
Er nickte. »Ich weiß, was du meinst. Bin mit meinen Cousins hier.«
»Aha.«
»Nach einer Weile wird es immer ein bisschen …« Er brach ab.
»Nervig?«
Er sah mich neugierig an. »Genau, nervig. Gutes Wort.«
Ich lächelte über das Kompliment, aber warum hatte ich das gesagt? Es waren schließlich meine Mädels, meine Freundinnen, für die ich brandschatzen und plündern würde. Und ich hatte sie gerade nervig genannt?
Ich strich mir die Haare aus den Augen. »Ich hab’s nicht so gemeint. Es ist nur … seit Neuestem sind sie so gereizt und gehen sich dauernd an die Kehle.«
»Das passiert doch manchmal unter Freunden. Klingt normal, finde ich.«
Wahrscheinlich hatte er recht. Es gefiel mir, einfach mit ihm zu reden, ohne im Geringsten das Gefühl zu haben, er wolle mich anmachen oder sich einschmeicheln. Abgesehen von dem Spruch mit dem Sonnenuntergang.
»Geh ich dir auf die Nerven? Ich kann dich auch allein lassen, wenn du willst.« Er machte eine unbestimmte Geste.
»Nein, nein …«
»Du warst so total in die Aussicht vertieft, deshalb wollte ich was dazu sagen.«
»Stimmt ja auch. Es ist umwerfend. In Miami habe ich noch nie so einen Sonnenuntergang gesehen. Oder ich war vielleicht nie zur richtigen Zeit draußen, obwohl es die da auch gibt.«
»Du bist also aus Miami?«
»Ja. Und du?«
»Ursprünglich aus Orlando. Aber ich bin jetzt in Gainsville und mach da nächstes Jahr meinen Abschluss.«
»Ah«, sagte ich. Er war also auf der Universität von Florida, ein UF-Gator, wie man so sagte. Yoli war an der Seminole in Sanford angenommen. War also nichts damit, dass er einen guten Partner für Yoli abgeben würde. Das würde nicht hinhauen. Na ja.
»Willst du dich nicht setzen?« Er zog einen Liegestuhl heran. Kein schlechter Gedanke. Ich war ziemlich k.o., wollte den Abend aber trotzdem genießen.
»Danke.« Ich setzte mich. Er ebenfalls, auf das Fußteil von meinem Stuhl, weil alle anderen belegt waren. Ich lehnte den Kopf zurück und seufzte. Der Abend wurde immer spektakulärer. Dort, wo der Himmel tiefrot war, blitzen schon ein paar Sterne auf. Und dieser umwerfende Typ unterhielt sich weiter mit mir. Womöglich bildete ich mir das alles nur ein.
»Was machst du denn in Miami?«, fragte er.
»Oh, äh … ich habe gerade die Abschlussprüfungen hinter mir.«
»Wo?« Er sah mich interessiert an. Er dachte wohl, den Uni-Abschluss, oder?
»Bay High.« Und da er nicht sofort zu verstehen schien, fügte ich hinzu: »Highschool.«
»Ach so.« Ganz kurz flog ein enttäuschter Ausdruck über sein Gesicht.
» Aber ich bin schon achtzehn! «, wollte ich noch sagen, falls er möglicherweise vorhatte, mich zu küssen oder sich meine Telefonnummer geben zu lassen, für nach der Kreuzfahrt. Und … Warum gingen mir solche Gedanken durch den Kopf?
»Und was hast du jetzt geplant?«
Na bitte, das war doch schon besser. Pläne, da kannte ich mich aus. Mein ganzes Leben war doch schon durchgeplant. »Also …«
Ich erzählte ihm von dem Dessert- und Konditorkurs. Dass ich ihn wirklich gerne machen wollte, aber andererseits auch nicht so schnell fertig werden wollte, weil ich dann schon so bald anfangen müsste, zu arbeiten. Aber dass meine Mutter es unbedingt wolle, weil sie als alleinerziehende Mutter so schwer hatte arbeiten müssen, und auf diese Weise könnte ich mich revanchieren.
»Wow, klingt ja irre. So gut durchdacht«, sagte er und nickte.
»Danke.« Na ja. Ich spielte mit meinem Armband und öffnete und schloss es. Lorenzo erwähnte ich nicht.
»Ich weiß genau, was du damit meinst, dass du nicht sofort anfangen willst.« Er beugte sich vor und hatte die Hände zwischen den Knien gefaltet. »Ich werd nächstes Jahr fertig, aber ich möchte eine Weile herumreisen, ehe ich anfange zu arbeiten. Und vielleicht erst ein Jahr später anfangen, richtig zu verdienen. Arbeit gibt’s dann auch noch, die wartet schon auf mich.«
»Genau!«, sagte ich. Wow. Er traf genau den Punkt. Mein Leben wartete auch auf mich! »Was machst du denn so?« Ich
kam mir ein bisschen merkwürdig vor bei dem Gespräch. So
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