Die verfuehrerischen Vier
wie die Schaufensterscheiben des Cafés vibrierten. Der Boden unter meinen Füßen grummelte. Die Leute mussten ihre Tassen festhalten, damit nichts verschüttete. Es fühlte sich wie ein kleines Erdbeben an, aber das war ja verrückt, schließlich waren wir in der Karibik.
»Was war denn das?«, murmelte der Mann.
Ich sah, wie sich sein Kaffee in Ringen kräuselte und dann wieder glatt wurde. Ja, was war das gewesen?
Ein paar der Angestellten waren hinausgelaufen und sahen sich um. Durch die gläserne Eingangstür konnte ich die Leute auf dem Gehweg sehen. Sie redeten aufgeregt, einige lachten, einige riefen etwas auf die andere Straßenseite. Die Angestellten aus dem Café deuteten auf die Ziegel der Außenwand.
»Nächster?«, sagte eine Stimme. Es war das Mädchen hinter der Theke, das ungefähr in meinem Alter zu sein schien. Sie hatte eine dunkle Haut und grüne Augen. »Was darf’s denn sein?«, fragte sie und grinste.
»Einen Eiskaffee bitte, mittlere Größe«, sagte ich, dann sah ich wieder nach der Aufregung draußen. »Haben Sie das mitgekriegt?«
»Was mitgekriegt?«, fragte das Mädchen.
»Das Wackeln.« Ich sah sie wieder an.
»Ja, das war aber nicht sehr schlimm.«
Ich griff in meine Tasche und holte Geld heraus. Wovon redete sie? »Was war nicht sehr schlimm?«
»Das Beben.«
»Das was ?« Ich sah verständnislos auf.
»Ein Beben?« Sie nahm mein Geld entgegen und ließ die Kasse aufspringen. »Sie wissen schon, ein Erdbeben.«
Ich machte große Augen. Wenn ich von der Trockenheit meiner Kontaktlinsen ausging, musste ich sie wohl ziemlich
angeglotzt haben. (Sie muss bestimmt gedacht haben, dass ich auf Speed sei, was ganz schön heftig war, angesichts der Tatsache, dass die stärkste Droge, die ich je genommen hatte, ein Hustensaft gewesen war.) Wie bitte, hatte sie gerade Erdbeben gesagt?
Das Mädchen schloss die Kasse wieder und nahm einen Plastikbecher für meinen Eiskaffee. »Keine Sorge, das war alles. Es ist wahrscheinlich schon vorbei.«
Wahrscheinlich?
Ich spürte, wie sich meine Kopfhaut zusammenzog, so sehr musste ich an mich halten, um nicht laut zu kreischen. Würde vielleicht gleich noch mal so ein Beben kommen? Gab es nicht immer mehrere hintereinander? Wenn ja, wollte ich schnell nach den Mädels suchen, um Abschied zu nehmen.
Schließlich brachte ich wieder etwas heraus. »Ich wusste nicht, dass es hier Erdbeben gibt.« War es nicht fahrlässig von der Reiseleitung, Gäste in Erdbebengebiete zu bringen? War das nicht unmoralisch?
Sie nickte. »Leichte Beben gibt es schon manchmal, aber mehr nicht. Sehen Sie die Leute da?« Sie deutete nach draußen. Die Person hinter mir und ich drehten uns beide um.
»Ja?«
»Sie vergleichen die Risse mit denen vom letzten Mal. Bei dem hier sind da draußen wohl ein paar neue entstanden.«
Ich konnte kaum glauben, was sie da sagte. Ich hatte es nicht ganz ernst gemeint, als ich gesagte hatte, ich hätte ein Zittern im Boden gespürt! Ein Hurrikan in diesen Breitengraden, na gut, aber ein Erdbeben? Kamen die nicht eher in Kalifornien vor? Und falls ich mich täuschen sollte, dann korrigiert mich, aber als ich das letzte Mal von Erdbeben gehört hatte, hatten die nicht einen Tsunami ausgelöst? Und befand
ich mich soeben nicht auf einer Insel, einem Stück Land, das bekanntermaßen auf allen Seiten von Wasser umgeben war?
Hallo? Das war echt nicht witzig!
Mein Magen krampfte sich zusammen. Mist. Die Streitereien der Mädchen waren harmlos, verglichen damit. Ich werde heute Teil eines weltweiten Nachrichtenthemas. Ich wollte zurück nach Miami, in mein Bett, unter meine Decke, wo ich in Sicherheit war, aber das ging ja nicht, sosehr ich es auch wollte. Ich saß hier fest.
»Hey …« Das Mädchen kam an der Theke entlang zu mir. Ich war total aufgelöst. Sie beugte sich zu mir herüber. In ihrem Lächeln lag etwas Tröstliches. Offensichtlich machte sie sich keine Sorgen. »Tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe. Machen Sie sich bloß keine Gedanken. So was gibt es dauernd bei uns.«
»Ständig«, nickte ein anderer Angestellter über seine Schulter.
»Okay«, sagte ich und versuchte, mich zu beruhigen. Ich blickte mich um und sah ein paar andere beunruhigte Gesichter. Ich rief mir ins Gedächtnis, dass ich an einem Ort wohnte, an dem es mindestens drei heftige Wirbelstürme pro Jahr gibt, ich konnte mich also ganz wie daheim fühlen. Außerdem, nirgends auf der Welt gab es einen sicheren Ort. Wenn es kein Tsunami oder
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