Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
Spektakel genossen hätte«, fuhr Martha fort. Arabella senkte wieder apathisch den Blick. »Ich wollte wirklich, man hätte ihn eingeladen«, fuhr Martha fort. »Wir müssen uns also alle Einzelheiten für ihn merken.«
Teresa wollte gerade antworten, als eine besonders stürmische Lachsalve aus Clarissa Williamsons Ecke des Saales ertönte, und alle drei Mädchen drehten sich danach um. Sie sahen, wie Lord Petre sich soeben mit großem Tamtam und dramatischen Gesten von seiner Runde entfernte. Dann blieb er noch einmal stehen und blickte zurück, um sich zu vergewissern, dass auch alle zuschauten. Arabella sah, dass Clarissa Williamson eine Hand hob und in ihre Richtung zeigte, sie aber abrupt fallen ließ, als sie Arabellas Blick begegnete. Das Getöse ihres Gelächters hatte alle Unterhaltungen im Saal einen Moment stocken lassen, und die Leute blickten sich nach der Ursache der Ausgelassenheit um. Eine plötzliche Stille... Dann aber begann das Stimmengewirr von Neuem und wurde immer lauter.
Martha und Teresa hatten eben wieder angefangen, miteinander zu reden, da sah Arabella aus den Augenwinkeln, dass Lord Petre auf sie zukam. Seine Augen waren auf sie gerichtet, aber sie zwang sich,weder den Kopf zu heben, noch ihn anzublicken. Instinktiv spürte sie, dass er auf seinem Gang von seinem ganzen Bekanntenkreis beobachtet wurde und dass auch Mary Pierrepont und Lady Castlecomber zu ihm herüberblickten.
Einen Moment lang glaubte sie, er käme, um mit ihr privat zu sprechen, aber dann wurde ihr klar, dass das nicht stimmen konnte. Er schritt so absichtsvoll daher – fast war er schon bei ihr. Teresa und Martha, die leise weitergeredet hatten, verstummten unwillkürlich.
Sie hielt den Blick gesenkt, aber durch die Wimpern sah sie, dass er vor ihr stand. Sie überwand sich, ihn anzusehen, und sie sah, dass er lächelte – sie anlächelte – und es war das alte, vertraute Lächeln ihrer heimlichen Intimität. Sie atmete hörbar aus, und Erleichterung durchflutete sie. Sie warf einen Blick auf Martha und Teresa und sah, dass sie ebenfalls lächelten. Der Saal war wieder still geworden. Die Sekunden dehnten sich gemächlich, während sie dasaß und wartete. Und dann sank er vor ihr nieder, ein Knie aufgestellt. Aus den Augenwinkeln sah sie Lady Salisbury und Henrietta herüberkommen, gespannt und ebenfalls lächelnd. Ihr war so wunderbar zumute, so himmelhoch jauchzend: All ihre Ängste waren umsonst gewesen! Lord Petre kniete vor ihr. Aller Augen waren auf sie gerichtet, aber das machte ihr nichts aus.
So also fühlte es sich an, dachte sie triumphierend, eines Barons Frau zu werden!
Er schob die Hand in seine Tasche und zog etwas heraus. Er hielt es mit der Faust umschlossen. Arabella sah ein Aufblitzen und die Spitze einer Klinge … Er streckte die Hand nach ihr aus, und sie spürte die Berührung seiner Finger im Nacken – so vertraut! Und dennoch fuhr sie erschreckt zusammen: Da war etwas Kaltes.
Es fühlte sich an wie Stahl. Einen entsetzlichen Moment lang dachte sie, er habe ein Messer bei sich und wolle sie töten. Sie schrie auf, konnte nicht anders und wusste in ihrer Panik kaum, dass es aus ihrem eigenen Munde kam. Sie hörte ein Zischeln und ein Klicken scharfer Schneiden, die aufeinandertrafen, und dann spürte sie eine Locke ihres Haares herabfallen. Lord Petre schnappte sie sich.
»Mein Preis!«, rief er laut. »Eine Trophäe von Miss Arabella Fermor! Ich habe der Göttin Diana eine Locke geraubt!«
Zu ihrer Verblüffung begann der Saal zu applaudieren, der Lärm war gewaltig. Er war durchmischt mit Gelächter – zaghaft zuerst, dann ungezähmt. Vollkommen verwirrt starrte sie auf ihre Hände. Mit schmerzhaft angespannten Muskeln zwang sie sich, ihn anzublicken: Er schwang die Locke durch die Luft und lächelte idiotisch zu Miss Williamson hinüber, die sich händeklatschend vor Lachen ausschüttete. Der ganze Saal um sie herum war ein Zerrbild höhnisch lachender Gesichter. Angst, Bestürzung und Scham malten sich auf ihrem Gesicht – sie konnte es nicht verhindern.
Mitten in ein kurzes Abebben des allgmeinen Gelächters hinein ertönte laut und deutlich Clarissas Stimme: »Selbst die Göttin der Keuschheit kann dem siegreichen Dolch des Barons nicht widerstehen!«
Arabella schauderte unter der plumpen Grausamkeit ihrer Bemerkung. Großer Gott, dachte sie – das Diana-Kostüm! Wie vergeblich hatte sie sich gebrüstet, die Göttin der Keuschheit zu sein. Jetzt bereute sie es
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