Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
um und betrachtete die Dominogestalt. »Oh, das ist kein Gentleman«, meinte er lächelnd. »Sehen Sie sich doch mal die Bordüren an den Schuhen an – sind die nicht eindeutig? Wirklich, ich wage zu behaupten, das ist Charlotte Bromleigh, Lord Castlecombers Frau. Ich habe sie schon früher darin gesehen.«
Alexander wandte sich ab, weil er fürchtete, Teresa könnte ihn entdecken. Also war Lord Petre Teresas Pirschobjekt in der Stadt! Sie würde unweigerlich enttäuscht werden in ihren Hoffnungen, überlegte er bitter – aber dann wurde ihm plötzlich schwer ums Herz. Denn Lord Petre hatte doch die Unterhaltung begonnen. Und wie eifrig Teresa darauf eingegangen war! Noch nie hatte Alexander sie so erlebt, so bemüht zu gefallen, so geschmeichelt durch die Aufmerksamkeit eines Mannes.
Aber keine fünf Minuten später fuhr Alexander zusammen, als er Lord Petre dicht bei einer Frau in einer Dominorobe stehen sah. Das Paar stand direkt hinter dem Türdurchgang zum Hauptsaal, und die Natur ihres Beisammenseins war leicht zu erraten, denn sie standen eng beieinander, wie intim Vertraute. Aber als die schwarz gekleidete Gestalt sich wieder unter die Festgesellschaft mischte, sah Alexander, dass ihre Schuhe keine Bordüren hatten. Das war durchaus nicht Charlotte Bromleigh. Lord Petre hatte sich mit einem Mann getroffen! Alexander starrte ungläubig, aber die Gestalt verschwand alsbald in der Menge.
Er versuchte, ihn wieder ausfindig zu machen, aber es war zu spät. Die Ballgäste wogten in wilder Bewegung durcheinander. Während er so dastand, fiel ihm erstmals auf, dass viele von ihnen Gewänder der katholischen Kirche trugen und dass etliche von ihnen die Dargestellten absichtsvoll zum Gespött machten: Mönche, die Weinflaschen in der Hand hielten, ein Priester, der mit einer schrill gekleideten Hure am Arm umherzog. Andere wiederum hätten ohne Weiteres als echte Kleriker durchgehen können. Erneut fiel ihm der ermordete Maskenballgast in Shoreditch ein, und er blickte angewidert auf den Strudel der vorüberfliegenden Gesichter, deren Ausdruck hinter den starren Masken verborgen war.
Dicht neben Alexander beendete soeben Arabella ein Menuett mit dem Tanzbären, der zu Beginn aus einem Sechsspänner gestiegen war. Ohne dass sie es merkte, wurde sie von einem der vielen Dominos beobachtet, dessen Gesicht durch die dunklen Falten seines Kostüms verschattet war.
Plötzlich aber spürte Arabella, dass jemand hinter ihr stand. Sie fuhr herum – und erschrak vor der gesichtslosen Gestalt, die da vor ihr aufragte.
»Ich kenne Sie nicht!«, schrie sie. »Sie haben mich erschreckt!«
Einen Moment lang sagte der Domino nichts, aber dann zog er Kapuze und Maske ab: Es war James Douglass.
»Oh!«, rief Arabella. »Lord Petres Freund von der Börse.«
»Ganz recht, Madam«, antwortete Douglas mit einer Verbeugung. »Ich habe eben mit angehört, was Sie über das Thema Verkleidung sagten.« Arabella blickte ihn streng an und wartete, dass er weitersprach. Irgendwie schauderte ihr vor ihm, aber sie war doch neugierig, was er ihr vielleicht über seine rätselhafte Freundschaft mit Lord Petre mitteilen würde.
»Eine maskierte Frau ist wie eine Speiseschüssel mit Deckel«, sagte Douglas. »Sie löst bei einem Mann Neugier und Appetit aus, selbst wenn sie ihm höchstwahrscheinlich ohne Deckel den Magen umdrehen würde.«
Arabella trat einen Schritt zurück. Wie grausam, so etwas zu sagen! »Sie haben wenig Achtung vor Frauen, Sir«, erwiderte sie.
»Im Gegenteil, meiner Meinung nach ist die Frau von unschätzbarem Wert«, erwiderte Douglass, und seine Augenwinkel verzogen sich zu einem provokanten Lächeln.
Arabella wünschte sich zwar, er würde jetzt gehen, aber sie konnte dem dringenden Wunsch, mehr über den Baron zu erfahren, nicht widerstehen. »Aber Sie bewerten immer nur die Komponenten einer Person, die ins Auge fallen«, beharrte sie, entschlossen, sich von Douglass nicht aus der Fassung bringen zu lassen.
»Genau darin besteht ja der Wert als solcher, Madam«, antwortete Douglass. »Der Wert des Goldes ist doch nichts weiter als der Preis, den ich dafür bekommen kann. Und genauso ist es mit den Frauen.«
Arabella zwang sich zu lachen, aber sie war entschlossen, einen letzten Versuch zu machen. »Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Sie dasselbe von Männern sagen würden«, wandte sie ein. »Sicherlich bewerten Sie doch wenigstens Ihre Freunde nicht allein nach ihrem Auftreten. Sie wollen doch
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