Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
lediglich der Versuch, die Gedanken von seinem neuesten Faszinosum abzulenken – Arabella Fermor. Es irritierte ihn, wie unmäßig sie ihn gefesselt hatte. Er rief sich ihre gemeinsamen Momente in Erinnerung – das glitzernde, locker fließende Gewand, das sie getragen hatte, der Ausdruck versunkener Konzentration, als sie ihre Maske umband, das Geplänkel über Hirsche und Hetzjagd, ihr bezauberndes Lächeln.
Er kannte sie schon, seit sie ein Kind war, und schon damals war es allgemeine Ansicht, dass sie einmal eine Schönheit werden würde. Aber Petre war auch schon früher schönen Mädchen begegnet. Doch die Faszination, die er für Arabella empfand, war wie ein körperliches Hungergefühl. Als er neben ihr stand, war es ihm fast unmöglich gewesen, den zwanghaften, überwältigenden Wunsch zu bezähmen, wie ein Tier über ihren zauberhaften Körper herzufallen und ihn zu zerreißen. So etwas hatte er bisher noch niemals verspürt. Er war wütend und erregt zugleich, es war eine Art Verzweiflung. Und doch blieb ihm keine Wahl, als stehen zu bleiben, den galanten Smalltalk zu produzieren, den man von ihm erwartete, und zugleich über den Verstand die überwältigende Begierde zu bändigen, sie in die Arme zu nehmen.
Er verließ den Ballsaal und stellte sich an die Kartentische, verfolgte mechanisch den Verlauf des Spiels. In Wirklichkeit sah er gar nichts. Sein inneres Auge war fixiert auf Arabellas Gestalt: ihre Zungenspitze, wie sie beim Sprechen die Zähne berührte, das zerzauste Haar um ihr Gesicht – unschuldig wie bei einem Kind, dabei sehr bewusst und kunstvoll arrangiert. Natürlich war es unmöglich, aber wie sehr verlangte es ihn, diesen geschmeidigen, warmen, atmenden Leib in Besitz zu nehmen und ihn unter sich zu zwingen!
Er musste sich der Gesellschaft widmen: Hier waren Freunde, hier waren Bekannte seiner Familie. Er musste er selbst sein. Es durfte nichts Rätselhaftes, nichts Auffälliges in seinem Benehmen sichtbar werden, zumal der Hauptzweck dieses Abends das Zusammentreffen war, das er für später mit Douglass arrangiert hatte. Er griff in seine Tasche. Die Banknoten waren da.
Er bemerkte, dass Sir George Brown jetzt neben ihm stand, schwer und dumm, aber dennoch ein Freund, dem er Aufmerksamkeit schuldete. Sir George beugte sich über den Kartentisch, atmete über dem Kopf eines Spielers so heftig, dass er die Haare von dessen Perücke in Bewegung versetzte. Lord Petre hätte am liebsten darüber gelacht, aber plötzlich fiel ihm ein, dass Sir George Arabellas Cousin war, und erneut flammte Verlangen und Leidenschaft in ihm auf.
Er zwang sich, ihn anzusprechen. »Wie geht es Ihnen?«, fragte er, und Sir George richtete sich ruckartig auf, wobei er die Perücke des Spielers beinahe vollends heruntergerissen hätte.
»Großartig, großartig«, tönte Sir George in seiner gewohnten Art, und feiner Schnupftabakstaub umschwebte ihn beim Sprechen. »War niemals besser, mein Lieber. Mein Ehrenwort – wie raffiniert doch Ihr Turban ist! Vielleicht hätte ich bei meinem Kostüm dasselbe tun sollen. Aber sehen Sie mal, da ist mein Freund Dicconson – da drüben! Hallo, Sir, hallo, William!«
Dicconson war ebenfalls ein katholischer Bekannter, seit Kurzem verheiratet mit der Tochter eines Baronets. Er war öfter in Ingatestone zu Besuch gewesen, als Lord Petres Vater noch lebte, aber Lord Petre hatte ihn nie gemocht. Dicconson reagierte sehr zögerlich auf Sir Georges Begrüßung und kam auf die beiden zu.
»Meinen Glückwunsch zu Ihrer Eheschließung«, sagte Sir George leutselig. »Lady Margaret ist eine charmante Frau.«
Dicconson hob gleichgültig die Schultern. »Ja, wir haben letzten Monat geheiratet«, bestätigte er. »Aber Sie haben sicherlich gehört, dass sie versucht hat, es rückgängig zu machen. Sie hat ihrem Vater erzählt, ich tränke zu viel. Als er mir das vorhielt, habe ich ihn nur angesehen und gesagt: ›Sir, Ihre Tochter hurt zu viel, aber ich erhebe keinen Einspruch.‹ Er hat natürlich gelacht – denn er wusste so gut wie ich, dass das stimmt – und mir weitere tausend gegeben. So hat sich das denn ohne weiteren Unsinn erledigt. Exzellentes Arrangement, aufs Ganze gesehen.«
Dicconson hatte sich nicht die Mühe gemacht, Lord Petre zu begrüßen, als er sich zu ihnen gesellte, aber jetzt drehte er sich schwungvoll um und fragte in vorwurfsvollem Ton: »Wann suchen Sie sich denn eine Frau, Mylord? Hier laufen doch viele Mädchen herum, und manche von ihnen sind
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