Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
Mit dem ottomanischen Kopfschmuck wirkte er noch vornehmer als sonst in seinem üblichen Anzug mit Weste. Sie hatte gesehen,wie er sich in der Menge umgeschaut hatte – wie sie glaubte, in der Absicht, ihrem Blick zu begegnen. Also war er beeindruckt gewesen von der Begegnung mit Miss Blount von Mapledurham … Genau wie sie es sich gedacht hatte. Mit ermutigtem Ausdruck wandte sie sich an Martha.
»Das ist bestimmt eine Frau aus der Stadt, Patty, hergekommen in der Hoffnung, einen Gefährten zu ergattern«, erklärte sie. »Jedenfalls ist es für Frauen akzeptabel, bei einer Maskerade allein zu erscheinen. Denn gleich nach dem Eintritt müssen sich Freunde ohnehin trennen und sich auf eine Unterhaltung mit jedem, der sie anspricht, einlassen. Das ist eben der Spaß bei der Sache. Es gibt ja Räume, in die Leute sich, wenn sie es wünschen, zurückziehen und in allseitiger Übereinstimmung ihre Gesichter zeigen können.«
In diesem Moment wurden sie durch den Ansturm der Massen vorwärts durch die Tür in den Ballsaal gedrängt.
Es wäre unmöglich gewesen, sich auf den Feuersturm an Lärm und Lichterglanz gefasst zu machen, der ihnen da entgegenschlug. Hunderte Wachskerzen – ein gleißendes Flackern – glitzernde Juwelen – prächtige Masken – strahlendes Lächeln … aber keine Gesichter. Stimmengetöse rauschte über den Wogen der Musik durch den Saal. Zwei Orchester auf erhöhten Podesten zu beiden Seiten … Vielfältiger Kopfschmuck schwebte über der Menge wie bunte Vögel: Pfauengefieder, Straußenfedern, gepuderte Perücken, Frisuren, hochgetürmt wie Konditorkunstwerke, glitzernde Diamanten. Das Klicken der Absätze auf den Dielen, das Rascheln der Unterröcke, das Klappen emsiger Fächer – Hitze, Helligkeit, wallendes Festgetöse … Venezianer, Türken, Spanier, Schornsteinfeger, Bauernmägde, Brezelverkäufer, Schlachterburschen und Kutscher … Admirale, Richter, Höflinge und Könige … Ein unendliches Durcheinander von Fremdlingen, verborgen in den Kleidern von Fremdlingen. Und überall zwischen ihnen verstreut die schwarz-weißen Gestalten in ihren Dominos, Kopf und Gesicht unsichtbar unter den voluminösen Seidenkapuzen.
Sobald sie den Saal betreten hatte, merkte Arabella, dass sie nicht die einzige Gestalt der Antike war. Sie wurde alsbald von einem hübschen, höflichen Gentleman begrüßt – verkleidet als Phöbus -, in dem sie einen alten Verehrer erkannte, Charles Luxton. Luxton forderte Arabella sofort zum Tanzen auf, und sie willigte ein in dem Bewusstsein, dass ihr Kostüm in lebhafter Bewegung am besten zur Geltung kam. Arabella kannte Charles Luxton seit etlichen Jahren, und sie ermutigte seine in der Öffentlichkeit gezeigten Aufmerksamkeiten um seiner persönlichen Attraktivität willen, die ihrer eigenen sehr ähnlich war. Sie wusste aber auch, dass er nur ein kleines Anwesen in einem unbedeutenden Landstrich erben und somit seine Braut eine Dame von weit weniger bedeutendem Vermögen sein würde – und von etwas weniger nobler Erscheinung als sie.
Kurz nachdem ihr Tanz mit Mr. Luxton zu Ende war, näherte Lord Petre sich ihr. Sie war sich jeder ihrer Bewegungen bewusst, als sie ihm mit einer Seitwärtsneigung den Kopf zuwandte – eine Geste, Einladung und Abweisung zugleich.
Er begrüßte sie mit einer Verbeugung. »Oh, wie der Glanz mich überwältigt!«, deklamierte er.
Arabella genoss das Kompliment. Sie zitterte vor Erregung, entgegnete jedoch in gesetztem Ton: »Diese Bemerkung stammt nicht von Ihnen, Sir. Sie zitieren Robert Herrick, aber Sie dachten, ich wüsste das nicht.«
Lord Petre hob die Augenbrauen. »Ich selbst kannte Herricks Zeilen ja kaum, bevor ich Sie so gewandet sah«, erwiderte er. »Wenigstens habe ich sie zuvor nie begriffen. Aber seit ich Sie gesehen habe, kann ich nichts anderes mehr denken: ›Und wie so süß erscheinet mir das Wallen ihres fließenden Gewandes.‹«
Arabella hatte die Zeilen schon öfter gehört, aber noch nie hatten sie ihr so gut gefallen wie jetzt. Doch sie wechselte das Thema.
»Da Sie aus der Welt der Osmanen kommen, kann man wohl nicht erwarten, dass Sie erraten, welche der römischen Göttinnen ich darstelle«, sagte sie.
»Sie – eine Göttin? Ich hätte Sie für eine Sirene gehalten.«
»Sehen Sie nicht den Bogen, den ich trage? Ich bin Diana, die Königin der Jagd, Göttin der Keuschheit.«
»Ich dachte, sie hätten den Bogen dem Cupido gestohlen, der dort am Büfett steht«, meinte Petre. »Der sieht
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