Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
weiblicher Malkunst hören, Harry!«
»Meine sind gar nichts im Vergleich zu denen meines Freundes Dicconson«, winkte Harry ab, immer noch in seinem lässigen Ton. »Kennst du den, Charles? Tadelloser Bursche, immer bereit, einem einen Drink zu spendieren. Er schwört, er habe das Gesicht seiner Frau nie gesehen, bevor er sie geheiratet hat. Ihre Haut ist so demoliert durch die ewige Schminke, dass sie morgens, wenn sie aufwacht, kaum jung genug aussieht, um die Mutter der Frau zu sein, die er am Abend zuvor ins Bett getragen hat.«
»Ach was, Lappalie!«, rief Tom. »Ich kannte mal eine Frau mit einem derartig kunstvoll bemalten Gesicht, dass ich in Gefahr war, ihr sämtliche Gesichtszüge wegzupusten, wenn ich auf ihr zu liebestoll seufzte. Mit der im Bett zu sein, das war, wie ein frisch gestrichenes Zimmer zu betreten. Der Geruch war unerträglich.«
Alexander lauschte der Unterhaltung sehr amüsiert, da änderte Tom plötzlich den Ton. »Harry«, sagte er aufgeregt, »da kommt ein älterer Gentleman auf uns zu, in einer Weste, die vor einem halben Jahrhundert genäht worden sein muss. Ich glaube, das ist William Wycherley.«
»Wycherley, der Dramatiker?«, fragte Harry. »Sei kein Idiot, Tom. The Country Wife wurde vor vierzig Jahren in den Theatern aufgeführt. Der muss fast so lange tot sein wie Shakespeare.«
»Nein, ich glaube, das ist er«, beharrte Tom. »Aber obgleich er nicht tot ist, muss er mindestens blind sein, denn er hat da hinten im Dienstbotenbereich gesessen, ohne es zu merken.«
Alexander blickte bestürzt über die Schulter zurück. Tatsächlich, da kam William Wycherley auf ihren Tisch zu. Er war unverwechselbar, groß und korpulent, formal gekleidet in einem Stil, der seit dreißig Jahren veraltet war. Er hinkte schwer beim Gehen, ausgelöst wohl durch seine Gicht, bestimmt aber verschlimmert dadurch, dass er sich unter dem Gewicht von so viel Fleisch dahinschleppte. Ein Volltreffer des Zufalls, dachte Alexander, denn er hatte Wycherley geschrieben, dass er in London sei, hatte aber angedeutet, dass ein Treffen wegen seiner schlechten Gesundheit schwierig zu arrangieren sei. Er schämte sich, dass er seine Gesundheit als Ausrede benutzt hatte, umso mehr, weil er wusste, dass es dem alten Bühnenschriftsteller selber schlecht ging. Tonson hatte erzählt, er verlöre sein Gedächtnis. Er raffte sich aus der dandyhaft lässigen Haltung auf, in die er in unbewusster Nachahmung seiner Tischgenossen zusammengesunken war.
Als Sir Anthony Englefield ihn vor drei oder vier Jahren William Wycherley vorgestellt hatte, da war Alexander aufgeregter gewesen als bei jeder anderen Begegnung in seinem Leben. Zugleich hatte er fast sofort gespürt, dass ihre Freundschaft nicht das werden würde, was er sich erhofft hatte. Wycherley war einmal der größte Bühnenschriftsteller seiner Zeit gewesen, aber schon damals war er in stark geschwächter Verfassung gewesen und lechzte sichtlich nach der Bewunderung eines jungen begabten Poeten. Wycherley hatte Alexander gebeten, ihm bei der Vorbereitung einer Gedichtsammlung zur Drucklegung zu helfen, und obgleich Alexander fand, dass die Gedichte schwach waren, hatte er dennoch geholfen, sie präsentabel zu machen und sich eingeredet, es sei eine Ehre, einem so großen Schriftsteller zu assistieren. Er war so schockiert gewesen von Wycherleys armseligem Zustand, dass er es nicht fertiggebracht hatte, sich das ehrlich einzugestehen.
»Mr. Wycherley!«, sagte Alexander und sprang auf, als der Dramatiker näher kam.
Der alte Mann war noch fetter geworden, seit sie sich im letzten Jahr begegnet waren. Sein gewaltiger Bauch ließ Alexander und seine knappe Verbeugung förmlich zusammenschrumpfen. Wycherley betrachtete ihn schweigend. Seine Perücke, schmuckvoll hochgetürmt, war ein wenig verrutscht. Er wurde von seinem Pagen begleitet, den Alexander schon früher kennengelernt hatte. Alexander wurde rot. Er wusste, dass sie von jedermann im Raum beobachtet wurden, und fürchtete, Wycherley werde ihn schneiden. Doch der Page trat dicht an seinen Herrn und sagte sehr ruhig: »Das ist Mr. Pope, Sir, Ihr junger Freund.«
Und sofort sagte Wycherley: »Ah, Mr. Pope. Ich sehe nicht mehr so gut wie früher. Besuchen Sie die Stadt mit Mr. Caryll?«
»Nein, Sir. Ich wohne bei meinem Freund Charles Jervas, den Sie, glaube ich, auch kennen.« Jervas verbeugte sich, hielt sich aber aus ihrer Unterhaltung heraus.
Wycherley schien Jervas überhaupt nicht zu bemerken. »Wie
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