Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
verpasst. Dumpf brütend stand er da, während Arabella sich krampfhaft bemühte, möglichst nonchalant im Saal umherzublicken.
Sie wurden durch Richard Steele und Robert Harley gerettet, die auf sie zukamen, wohl in der Hoffnung, sich gemeinsam auf Kosten der Sänger und der Zuschauer lustig zu machen. Dann trat auch noch Teresa mit ihrer Freundin Margaret Brownlow hinzu und fragte Arabella, ob sie den Namen des Herrn wisse, der dort mit Sir George Brown sprach. Es kostete Arabella Überwindung, zu dem Mann hinüberzublicken, den Teresa beschrieb.
»Ja«, sagte sie kurz angebunden, »das ist Francis Perkins.«
»Bist du mit ihm bekannt, Arabella?«, wollte Teresa wissen, wild entschlossen, ihre Aufmerksamkeit von Lord Petre abzulenken.
»Ich bin ihm ein- oder zweimal begegnet.« Aber statt Teresas Stimme hörte sie Lord Petres.
»Sie haben doch auf dem Maskenball mit Mr. Perkins getanzt, nicht wahr?«, fragte er leise. Sie konnte sich gerade noch bremsen, ihn sofort anzublicken.
»Mylord Petre hat ein fabelhaftes Gedächtnis«, sagte sie stattdessen auflachend zu Teresa.
Es folgte mehr Geplauder, mehr Gelächter. Einen Moment lang dachte Arabella, er würde mit den anderen Männern fortgehen, und im nächsten fürchtete Lord Petre, sie würde mit Miss Blount in ihre Loge zurückkehren, und seine Chance sei endgültig verpasst. Die Chance für was, wusste er selbst nicht. Keiner von ihnen beiden hörte auch nur ein Wort von der Unterhaltung; jeder suchte nach einem Grund, den anderen anzusprechen. Und beide wünschten – vergeblich -, alle anderen würden fortgehen. Als die Leute begannen, auf ihre Plätze zurückzukehren, standen sie endlich einander allein gegenüber. Lord Petre stand stumm, blickte Arabella bloß durchdringend an. Sie suchte verzweifelt nach einem Scherz, um das Schweigen zu brechen.
Schlieβlich sagte sie etwas zu laut: »Ich bin so gespannt auf den nächsten Akt!«
Lord Petre starrte sie weiter an, und sie wurde allmählich ärgerlich auf ihn, weil er sich nicht rührte, da sagte er plötzlich mit gepresster Stimme: »Ich muss Sie sehen!«
Jetzt war es Arabella, die verstummte.
»Werden Sie mir erlauben, Sie aufzusuchen?«
Arabella hätte antworten können: »Sollten wir nicht zu unseren Plätzen zurückgehen? Was für ein reizender Abend es doch war …« Und hätte sie es getan, so hätte Lord Petre sich zusammengerissen. Wenn sie der Sache ein Ende setzte, sagte er sich, dann würde er sich augenblicklich zurückziehen. Aber sehr zu seiner Überraschung, und irgendwie auch zu ihrer eigenen, tat sie das nicht.
»Ich lebe ja nicht im Versteck, Mylord«, erwiderte sie und wandte sich ab, um sich der vorübergehenden Mrs. Blount anzuschließen, die ihrer Loge zustrebte.
Wieder auf ihrem Platz, memorierte Arabella noch einmal jedes Detail ihrer Unterhaltung. Ihr Gespräch war so wunderbar leicht und vielsagend gewesen, geführt von zwei Menschen, die sich voll und ganz auf die Gebräuche, die kleinen Nuancen des Flirtens verstanden. Nichts ging zu weit – abgesehen von seinem erregt verhaltenem Ausbruch: Ich muss Sie sehen! Was für ein Unterschied zu den schmachtenden Verehrern, die sie bislang ertragen musste, mit ihren verklemmten Annäherungsversuchen und unbedarften Komplimenten. Eine warnende Stimme sagte ihr, sie dürfe ihn nicht allein sehen. Im Herzen aber wusste sie, sie war bereits zu weit gegangen, um noch umzukehren.
Die Aufführung hatte wieder angefangen, und jetzt war die Musik wundervoll zart. Endlich war das Publikum still, gebannt von der Geschichte. Sogar Steeles Proteste drüben in der Herrenloge verstummten, als der Held gelobte, allen Gefahren zu trotzen, um seine Geliebte zu retten. Aber seine tönende Heldenhaftigkeit war von höchst fragiler Art, und richtig – die Versuchung folgte auf dem Fuße: Eine Sirene sang auf ihn ein, und er war machtlos, ihrem Ruf zu widerstehen. Der Schreie seiner Gefährten nicht achtend, verließ er seinen Heldenpfad. Die Geliebte verlassen, der Held entehrt …
Ganz gegen seine Erwartung war Alexander tief bewegt von dem Drama. Er hatte zuvor nicht bemerkt, dass Komponist und Librettist hier eine Geschichte erfunden hatten, die so treffend auf die derzeitige Situation Englands passte. Es war eine Episode aus Tassos Das befreite Jerusalem – die Belagerung Jerusalems durch die Christen. Eine treffende Wahl, denn die Handlung war befrachtet mit dem Drama religiöser Feindschaft. Aber wie klug das gemacht war, erkannte er,
Weitere Kostenlose Bücher