Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
sich zurückzulehnen. Sie hörte das Ticken einer Uhr und das Knistern des Feuers, sonst nichts. Sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte. Der ausgelassene Eroberungswille, der sie sonst beflügelte, war fort. Allein im Zimmer eines Mannes zu sitzen, das war etwas ganz anderes als die harmlosen Kutschfahrten, die sie bisher gekannt hatte, und die leichten Flirts, die sie in Ballsälen gemeistert hatte, schienen hier völlig fehl am Platze. Wieder erstarrte sie vor der Ungeheuerlichkeit dessen, was sie getan hatte. Wie töricht sie gewesen war, sich einzubilden, sie würde die Situation beherrschen! Sie wusste doch von unverheirateten Mädchen, die sich ruiniert hatten, indem sie genau dies hier getan hatten. Sie dachte an Maria Granville, die sie damals in der Börse Teresa gegenüber lächerlich gemacht hatte. Sie saß da und faltete die Hände so krampfhaft, dass die Knöchel weiß wurden.
Doch zu ihrer Erleichterung war der Funke der Rebellion, der sie zum Herkommen ermutigt hatte, in ihr noch nicht vollends erloschen. Sie befahl sich, die Hände zu lösen und sich in ihrem Armsessel zurückzulehnen. Und wenige Augenblicke später stand sie auf und ging hinüber zu dem großen Spiegel, der über dem Kamin hing, um sich darin zu betrachten.
Die Wärme des Kaminfeuers entspannte Arabella allmählich. Sie hob die Hände ans Gesicht und zwickte sich in die Wangen, um wieder Farbe hineinzubringen, rieb und saugte an ihren Lippen, damit sie wieder leuchteten, arrangierte die zwei Locken zu beiden Seiten des Halses, und dann lächelte sie ihr Spiegelbild an, scheu zuerst, aber dann immer selbstsicherer, als sie zu ihrem Sessel zurückging, um zu warten. Wieder fragte sie sich, warum sie gekommen war. War es ein spontaner Einfall, eine flüchtige Wahnsinnsidee gewesen? Das glaubte sie nicht. Sie war ein schweres Risiko eingegangen, und doch bereute sie nicht, was sie getan hatte. Zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie, dass sie einen Zugang zum Abenteuer gefunden hatte, und diese Entdeckung machte ihr klar, wie lange sie immer bloß davon geträumt hatte.
Die Tür vom dahinterliegenden Korridor öffnete sich, und Lord Petre trat ein. Er ging zu dem Sofa neben ihrem Sessel und setzte sich ganz ans Ende, ein Bein unter sich gezogen, das andere vor sich ausgestreckt, um sich abzustützen. Er legte seinen Degen ordentlich neben sich und beugte sich zu ihr.
»Ich kann gar nicht glauben, dass ich Sie hierhabe«, sagte er lächelnd. Zu ihrer Erleichterung sah sie, dass es wieder das jungenhafte Lächeln war, das ihr in der Börse so gefallen hatte. Er stand wieder auf und goss jedem von ihnen ein Glas Wein ein.
Er reichte ihr das Glas. »Wie geht’s Ihnen jetzt?«, fragte er.
»Wieder gut«, erwiderte sie und nahm einen Schluck Wein. Der durchrieselte sie so angenehm, so beruhigend und ließ all ihre bösen Ahnungen töricht erscheinen. Lord Petre wirkte nicht im Mindesten erregt.
»Ich bin froh, das zu hören. Wären Sie immer noch einer Ohnmacht nah gewesen, dann hätte ich vorgeschlagen, wir lockern Ihr Korsett.«
Sie sagte nichts, aber ein neuerliches Zittern befiel sie. Während sie einen weiteren Schluck nahm, überlegte sie, ob dieses Zittern womöglich Vorfreude war. Er begegnete ihrem Blick. Und er lächelte wieder, aber ein wenig mokant, und sie fragte sich, ob er ihre Gedanken gelesen hatte. Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf den Kaminsims.
»Ich frage mich, ob wir das wohl tun oder lieber nicht tun sollten?«
Was denn tun?, dachte Arabella. Oh! Mein Korsett lockern. So also wurde das gemacht, überlegte sie, und das Wort Verführer schoss ihr durch den Sinn. Wieder kribbelte die Vorahnung in ihr, und sie wurde gewahr, dass das Gefühl ganz und gar nicht beängstigend, sondern angenehm war.
»Ich wäre unendlich enttäuscht, wenn Sie in Ohnmacht fielen, jetzt, wo ich Sie hierhabe«, sagte er, als er sie bei den Händen nahm und sie zu sich in die Höhe zog.
Sie lächelte, diesmal schelmisch, und antwortete: »Ich fürchte, ich habe gar keine Übung, mein eigenes Korsett zu lockern. Betty ist immer da, um mir zu helfen.«
Er stand jetzt sehr nah bei ihr. Sie spürte seinen Atem auf ihrer Wange. Sie dachte, er würde sie küssen und hob ihm das Gesicht entgegen, aber er streichelte nur ihre Wange und sagte: »Wie macht Betty das denn so? Erinnern Sie sich?«
»Gewöhnlich sitze ich auf einem Stuhl«, sagte sie.
Er nahm sie bei der Hand und führte sie zu einem senkrechten
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