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Die Verfuehrung Des Ritters

Die Verfuehrung Des Ritters

Titel: Die Verfuehrung Des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
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noch ihr gehört hatte.
    Aus der kalten, spartanisch eingerichteten Kammer - die umzugestalten Gwyn weder die Zeit noch das Geld gehabt hatte -war ein elegant und vornehm ausgestattetes Gemach geworden. Kunstvoll gearbeitete Wandleuchter aus Eisen waren an den Wänden befestigt worden, und Bienenwachskerzen - Bienenwachskerzen! -
    verbreiteten ihr warmes Licht. Anders als die üblichen Talglichter hinterließen sie keine rußigen Schlieren an den Wänden. Der Boden war mit weichen Fellen bedeckt -eine atemberaubende Pracht! Gwyn bückte sich und strich über eines der Felle.
    Dann richtete sie sich auf.
    Eine Reihe von Wandbehängen, deren Stickereien überaus zart und filigran gearbeitet waren, bewegten sich leise im Wind. Sie schimmerten samtig und schufen eine Wärme, die für diese kalte Kammer ungewohnt war. Ein großer, sorgfältig gearbeiteter Tisch stand direkt neben der Tür. Auf ihm brannten mehrere dicke Kerzen.
    An der gegenüberliegenden Wand standen einige Eichentruhen, die im Kerzenlicht glänzten. Schüchtern hob Gwyn den Deckel einer der Truhen an. Beim Anblick der herrlichen Stoffe stand ihr vor Staunen der Mund offen. Du meine Güte, da waren Seide und Samt und ... Ihre Hände tauchten gierig in den herrlichen Berg ... Noch mehr Sammet und ...
    »Du lieber Himmel!«, sagte sie laut und wich zurück. »Das sind Frauenkleider!«
    Er hatte ihr Kleider bringen lassen.
    Sie trat wieder an die Truhe. Einige Sachen gehörten ihr, stellte sie fest. Diese samtene Übertunika, die so alt und abgetragen und fadenscheinig war, dass sie fast auseinanderfiel. Aber die meisten Kleider gehörten ihr nicht. Sie besaß keine Seidengewänder, längst nicht mehr. Und sie hatte nie so viele Samtstoffe besessen.
    Aber hier lagen bergeweise wertvolle Stoffe, einige bereits zugeschnitten und umsäumt. Gwyn hielt eines der Kleider an ihren Körper. Es würde passen. Eilig legte sie alles zurück in die Truhe. Es fiel ihr schwer, die Finger von den herrlichen Stoffen zu lassen. Griffyn hatte das alles für sie vorbereitet.
    Es war eine sehr beunruhigende Erkenntnis.
    Ein Spiegel stand auf dem großen Tisch und lehnte an der Wand. Gwyn schloss die Truhe und ging zu dem Tisch. Sie war von der Klarheit des Spiegelbilds überrascht.
    Poliertes Metall schuf nie ein so deutliches Bild.
    Sie streckte zögernd eine Hand aus und fuhr mit den Fingerspitzen über die glatte, kühle Oberfläche. So etwas hatte sie
    noch nie gesehen. Was war das? Sie beugte sich vor, bis ihre Nase den Spiegel berührte und sie sich tief in die Augen blicken konnte.
    Geräusche vor der Tür ließen sie herumfahren. Aber niemand betrat das Zimmer.
    Die Männerstimmen und die Schritte verklangen. Es war wieder ruhig. Bestimmt nur einige Feiernde, die sich vom Fest entfernt hatten und nach einem ruhigen Plätzchen suchten. Sie wandte sich wieder der funkelnden Oberfläche des Spiegels zu. Was um alles in der Welt brachte einen Krieger dazu, mitten im Krieg all diese Schätze in eine weit entfernte Provinz zu schleppen?
    Gwyn starrte ihr Spiegelbild an. Sah sie so aus? Grüne Augen, eine mit Sommersprossen gesprenkelte Nase und ein schiefer Mund? Wenns mehr nicht ist ... Gott sei Dank hatte sie ihr Spiegelbild nicht mehr gesehen, seit sie sich mit zwölf über einen Weiher gebeugt und sich betrachtet hatte.
    Griffyn Sauvage mochte in der Normandie Ländereien besitzen, aber Everoot war der Ort, an dem sein Herz in all den Jahren geweilt hatte. Das bewiesen jedenfalls die wertvollen Ein-richtungsgegenstände, die er in dieses Zimmer hatte bringen lassen. Und zugleich wurde ihr klar, was er mit all den Dingen bezweckte: Das Nest sollte sein Zuhause sein. Für lange Zeit.
    Das Zimmer war sehr luxuriös und sehr maskulin und übte eine fast hypnotische Wirkung auf Gwyn aus. Einen Moment lang könnte sie so tun, als gäbe es keine Pflichten, die es zu erfüllen galt, als gäbe es niemanden, der etwas von ihr verlangte.
    Sie könnte sich einfach auf dem Bett ausstrecken, an die Decke schauen und ... was um alles in der Welt war das?
    An der Wand war ein Brett angebracht worden, und darauflag ein Stapel in Pergament eingebundener Manuskripte. Gwyns Gedanken überschlugen sich, als sie näher ging und mit den Fingerspitzen über die Rücken der Einbände fuhr. Schließlich nahm sie einen davon aus dem Regal.
    Sie setzte sieh auf das Bett und zog die Beine an. Erst dann öffnete sie das große Buch. Es war die Historie! Regum Britan-niae; Gwyn erkannte sie wieder.

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