Die Verfuehrung Des Ritters
sich eine seltsame Stille um sie schloss. Plötzlich hatte er eine recht klare Vorstellung von der schweren Bürde, die sie im vergangenen Jahr hatte tragen müssen. Mitten im Krieg war sie auf sich allein gestellt gewesen und hatte mit wenig Geld ein riesiges Anwesen verwalten müssen das ihr viel abverlangte. Als er die Mitglieder des Haushalts befragt hatte, war jeder des Lobes über sie voll gewesen.
Und aus den Worten hatte er die Zuneigung herausgehört, die ihr von allen entgegengebracht wurde.
»Habt Ihr schon meine Blumen gesehen?«
Er blickte auf. Ein Lächeln lag um ihren Mund, das zarte Grübchen zeigte sich wieder. Ihre Blumen? Er schüttelte den Kopf.
Ihr Lächeln wurde strahlender. Es war, als weite sich der Raum und als blase der Wind frischer durch die geschlossenen Fensterläden. »Wie ich schon sagte, einige meiner Pflichten mag ich sehr.«
Jetzt verstand er, was sie meinte. »Eure Blumen.«
Sie nickte glücklich. Ihre schwarzen Locken hüpften dabei auf und ab.
»Also gut«, sagte er. Er blickte auf ihre kleine Hand, die noch in seiner ruhte, und streichelte sie. »Ihr müsst weiterhin das machen, was Euch Freude bereitet. Für die anderen Aufgaben wird sich jemand finden, der sie erledigt.«
Ihr strahlendes Gesicht verschloss sich wieder. Als sie ihm jetzt die Hand entzog, ließ er sie los. Gwyn stand auf, ging zum Fenster und stieß die Läden auf. Die Nacht war tintenschwarz, und es wehte ein starker Wind. Die Luft roch nach Regen.
»Wir brauchen so dringend Regen«, murmelte sie, als würden sie müßig über das Wetter reden. »Ich kann keine meiner Verpflichtungen ruhen lassen«, fuhr sie fort.
»Die Felder müssen gepflügt werden, auch wenn die Männer im Krieg sind. Ich muss jemanden finden, der meine walisischen Verwalter ersetzt. Entweder sie sterben oder laufen davon. Aber wie soll ich jemanden finden, wenn alle im Krieg sind?«
»Powys«, flüsterte Griffyn und erinnerte sich plötzlich wieder mit erschreckender Deutlichkeit jenes Ortes. Fast konnte er das Leder der feuchten Sättel riechen, wie einst, als sie durch die wilden Hügel von Wales geritten waren. Fast hörte er wieder die Stimme seines Vaters, der ihm von dem Problem berichtete, wie schwer es sei, einen Verwalter für die walisischen Marken zu bekommen, einen, der ihm nicht davonlief oder wegstarb. Es war eine kurze, klare Erinnerung.
Gwyn hatte ihn offenbar nicht gehört. Ihre Hand fuhr über den Seidengobelin, der neben dem Fenster hing. »Wenn Männer und Söhne im Kampf sterben, bleiben die Frauen zurück und müssen die Felder bestellen. Und das heißt wiederum, dass es in der Burg an allen Ecken und Enden fehlt. Dem Unkraut ist es egal, ob Krieg herrscht, und die Wäsche interessiert sich nicht für Niederlagen.«
Ihre Stimme klang hart und bitter. Sie wandte ihm den Rücken zu. »Es gibt Dinge, die müssen eben erledigt werden.«
Von mir. Nur von mir.
Die Worte drängten sich ihr auf, aber sie sprach sie nicht aus, und er fragte nicht nach. Zwischen ihnen entstand Schweigen.
Er fühlte sich ihr innig verbunden. Sein Herz gab nach, und das war nicht das, was er wollte. Er wollte ihr seine Überlegenheit zeigen, wollte herrschen, und er wollte Leidenschaft. Das waren die Dinge, die er kannte und die er akzeptierte. Zuneigung und Verständnis für sie waren ihm nicht willkommen.
Warum ging er trotzdem zu ihr? Warum beugte er sich zu ihr herunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr?
»Ihr werdet Euch nie wieder allein um diese Dinge kümmern müssen, Mylady.« Er löste das Seidenband, das ihr Haar zusammenhielt. Mit den Fingern fuhr er durch die gelösten Locken und verfing sich darin. Ihr Atem ging schneller, und Griffyn beugte sich erneut zu ihr herunter. »Ihr habt jetzt einen Mann an Eurer Seite, der Euch bei allem helfen kann, was getan werden muss«, sagte er leise.
»Auch bei der Wäsche?« Er hörte, wie ihre Stimme stockte. Vermutlich war er deswegen zu ihr gegangen: um ihren Widerstand zu brechen und ihren Willen zu schwächen. Um sie in sein Bett zu locken. Eine willige, leidenschaftliche Gefährtin.
So wie sie es im letzten Herbst gewesen war. Sie wandte ihm leicht den Kopf zu. Sie klang ungläubig. »Ihr wollt mir mit der Wäsche helfen?«
»Wenn es nötig ist, werde ich das tun.« Er drückte seine Lippen auf ihren Hals. Ihr Atem klang zittrig. »Obwohl ich nicht glauben kann, dass es sonst niemanden gibt, der das Leinen in dieses stinkende Gebräu in den Kesseln werfen könnte.«
Ihr
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