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Die Verfuehrung Des Ritters

Die Verfuehrung Des Ritters

Titel: Die Verfuehrung Des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
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dritt auf den Wehrgängen zusammenstanden, waren nur noch als dunkle Silhouetten zu erkennen. Einige lehnten an den Zinnen, andere saßen auf der Mauer, während sie sich vom Wind den Schweiß auf ihren müden Gesichtern trocknen ließen. Die Hälfte der Männer gehörte zu Griffyn, aber in der Dämmerung war nicht mehr zu unterscheiden, wer zu den l'Ami gehörte und wer nicht.
    Griffyn stand mit einigen Männern beisammen, zu denen auch Alex, Fulk und Jerv gehörten. Am Horizont hinter ihnen versank die Sonne.
    Guinevere trat zu ihnen. »Mylord?«
    Er drehte sich um und lächelte sein leises, sinnliches Lächeln. Auch jetzt, nach allem, was sie ... getan hatten, stieg ihr die Röte ins Gesicht. Er streckte ihr die Hand entgegen. »Komm, Gwyn. Du musst dir anschauen, was wir geschafft haben.«
    Es war erstaunlich, was die Männer in so kurzer Zeit geleistet hatten. Die westliche Flanke der Burgmauer war fast vollständig ausgebessert worden. Vierzig Fuß hoch ragte die Bruchsteinmauer in alter Wehrhaftigkeit empor. Sogar die Mauerlücken im Turm hatte man bis zu einer Höhe von zwanzig Fuß schließen können.
    Das war es, wovon ihr Vater so lange geträumt hatte. Er hatte das Nest wiederaufbauen und zu alter Stärke zurückführen wollen.
    »Ich weiß, dir wäre es egal gewesen, wenn er dich für den Teufel gehalten hätte«, sagte sie leise. »Aber eines weiß ich, Griffyn: Mein Vater wäre stolz auf das gewesen, was du hier geleistet hast.«
    Griffyn verzog den Mund. »Dazu brauchte es nur Steine und ein paar kräftige Männer, Guinevere. Hätte dein Vater es gewollt, hätte er diese Arbeiten ausführen lassen können.«
    Gwyns Lächeln war traurig. »Vielleicht. Ich glaube, er hätte sie wieder aufgebaut, wenn er es gekonnt hätte. Aber er hat nur noch für wenige Dinge Interesse gezeigt, nachdem ... nachdem ...« Sie schluckte schwer, weil ihr die Kehle eng wurde. Hinter ihnen redeten die Männer weiter miteinander. Sie hörte Alex, der leise, aber schroff etwas sagte und dann verstummte.
    »Nach dem Tod meiner Mutter gab es eigentlich nichts mehr, das ihm etwas bedeutete«, fuhr Gwyn fort. »Das Einzige waren die Briefe, die meine Mutter ihm geschrieben hatte, während er im Heiligen Land war. Jeden Abend nach dem Nachtmahl saß er vor dem Kamin auf einer Bank und hat die Briefe gelesen. So lange, bis auch die letzten Flammen verloschen waren.«
    Griffyn griff nach ihrer Hand. »Deine Mutter konnte lesen ?«
    »Oh ja. Papa hatte es ihr beigebracht, ehe er auf den Kreuzzug ging. Erinnerst du dich an die kleine Schatulle, die ich dir damals gegeben habe, bevor wir uns vor dem Kloster St. Alban getrennt haben? Die Briefe waren darin. Ich konnte sie natürlich nicht lesen«, fügte sie hinzu. »Aber ich hatte gehofft, eines Tages ...«
    Sie verstummte, weil Griffyns Hand sich fast schmerzhaft um ihre schloss. Auf seinem Gesicht lag ein seltsamer Ausdruck.
    »Was ist?«
    Er gab ihr keine Antwort, sondern wandte sich um und sah Alex an, der daraufhin zur Treppe eilte und die Stufen hinunterlief. Gwyn blickte ihm nach, während sich ein ungutes Gefühl in ihrem Bauch zusammenballte. Griffyn drückte ihre Hand noch immer viel zu fest.
    Sie zog ihre Hand zurück.
    Als er Gwyn ansah, lag noch immer dieser merkwürdig leere Ausdruck auf seinem Gesicht.
    »Griffyn? Was ist denn?« Das ungute Gefühl verstärkte sich. Fast hätte sie es schon Angst nennen können. Aber dann lächelte Griffyn sie an.
    »Entschuldige, Gwyn. Du hast von deinem Vater gesprochen. Nein, von deiner Mutter. Dass sie lesen konnte. Und du kannst nicht lesen?«
    Sie schüttelte den Kopf - und hatte das Gefühl, dass sie irgendetwas nicht bekommen hatte.
    »Du brauchst keine Angst haben«, versicherte Griffyn ihr. Dieses Mal schloss er die Finger nur leicht um ihre Hand und hob sie an seine Lippen. Er drückte auf jeden Fingerknöchel einen Kuss. »Dein Vater lebt nicht mehr, und seine Verbote haben keine Gültigkeit mehr. Ich werde dir das Lesen beibringen.«
    Sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen, denn wie sollte sie ihm erklären, dass sie weder ihren Vater noch seine »Verbote« Fürchtete? Was sie damals gefürchtet hatte, war das, von dem sie jetzt glaubte, sie könnte dem wieder ausgesetzt sein: der Angst, dem Herrn von Everoot fremd zu sein. Diese Abwesenheit in seinem Blick, obwohl er direkt neben ihr stand.
    Sie legte den Kopf an seine Schulter. Griffyn wandte sich an einen der Männer und beantwortete eine Frage, während Gwyn seinen Duft

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