Die Verfuehrung Des Ritters
Entschlossenheit.
Angst, weil er alles andere vergessen hatte, auch Guinevere. Er hatte sie einlach stehen lassen.
Wut. Dieses übermächtige Gefühl in ihm war Wut, erkannte er. Auf seinen Vater.
Aber es war nicht diese Wut, die ihn erstaunte. Er kannte sie seit Jahren. Was ihn entsetzte, war der Grund für diese Wut: Er war wütend, weil sein Vater ihn nicht auf seine Aufgabe vorbereitet hatte.
»Und was nun, Alex?«, fragte er dumpf. »Was soll ich jetzt tun?«
»Warum liest du nicht die Briefe?«
Griffyn lachte, und es tat ihm gut. So war es schon immer zwischen Alex und ihm gewesen. Sie waren Kameraden, die miteinander lachten. Freunde. Aber seit sie auch über den Schatz redeten, hatte sich etwas in dieser Freundschaft verändert.
»Das rätst du mir? Ich glaube, da wäre ich auch allein drauf gekommen.«
Alex grinste. »Ich habe nie behauptet, der klügste Wächter zu sein, aber ...«
»Aber ich hänge nun mal an dir«, vollendete Griffyn den vertrauten Witz. Alex lächelte. Sie wurden wieder ernst, und Alex zeigte auf die Pergamentrollen.
»Also? Was steht drin?«
Griffyn nahm den ersten Brief. »Guinevere hat mir erzählt, es handelt sich um die Korrespondenz ihrer Eltern, während de PAmi im Heiligen Land war.« Er entrollte das Pergament. Seine schwieligen Fingerspitzen kratzten über die glatte Oberfläche.
Geliebte! Ich habe dich nicht geheiratet, um anderen von dir zu erzählen. Ich habe dich geheiratet, um mit dir geineinsam wunderbare Dinge zu erleben. Ohne dich bin ich nur ein halber Mensch. Komm zu mir. Worauf warten wir? Ich will dein Haar streicheln. Ich werde Miles zu dir schicken. Nur wenige können sich ihm widersetzen, und er hält große Stücke auf dich. Bei ihm bist du in Sicherheit. Damietta wird bald fallen, und dann folgt Jerusalem. Diese Stadt ist mein Schicksal. Du bist mein Schicksal. Komm zu mir.
Der nächste Brief war in ähnlichem Tenor verfasst, allerdings etwas länger.
Geliebte! Es war ein Fehler, nach dir zu schicken. Miles kann ich nicht mehr zurückrufen, aber solltest du noch nicht aufgebrochen sein, bleib daheim. Komm nicht in diese Hölle. Der Sand bewegt sich ständig unter unseren Füßen, der Wind bläst ihn uns unablässig ins Gesicht. Die Kämpfe nehmen kein Ende. Würdest du herkommen, ich könnte nicht mehr klar denken. Bleib daheim. Sorge dafür, dass wir ein Zuhause haben, wenn ich heimkehre. Ich werde bald kommen. Ich will einen Sohn und so viele Töchter, wie du haben möchtest. Aber vor allein pass auf dich auf.
Liebes, die Sache geht nicht gut aus. Nicht für uns, auch nicht für unseren geliebten Herrn, dem wir im Morgenland ein Reich errichten wollen. Ich habe zu Gott gebetet, meine Briefe mögen dich erreichen, damit du Everoot nicht verlässt. Wir haben nur noch für wenige Tage Nahrung. Das Wasser ist brackig, und die Pferde sterben unter uns weg. Ich bete zu Gott, dass du daheim bleibst in unserem geliebten Nest. Das einzige Licht in dieser Dunkelheit ist unser lieber Ionnes. Wir müssen ihn zu etwas Besonderem machen, wenn wir heimkehren. Kannst du nicht deinen Vater bitten, ihm ein paar von diesen dornigen Hügeln drüben im Walisischen zu überlassen? Wie ich Ionnes kenne, würde er an der Wildheit der Landschaft Gefallen finden. Er ist der einzige Grund, warum ich durchhalte, bis ich dich wiedersehe.
Ellie, ich liebe dich.
Wir haben ihn gefunden.
Griffyn hob langsam den Kopf. Diese Briefe stammten von seinem Vater, und sie waren an seine Mutter gerichtet. Christian Sauvage hatte sie an seine Frau Alienor geschickt, die alle nur Ellie genannt hatten.
Das hieß, dass Guineveres Vater diese Briefe gelesen hatte. Abend für Abend.
Jahrelang. Liebesbriefe, die Christian Sauvage an seine geliebte Frau gerichtet hatte.
Und darin schrieb er auch von seiner Liebe zu de l'Ami. Bevor alles kaputtgegangen war.
Hatte de l'Ami nach all den Jahren bereut, was er getan hatte? Hatte die Qual seine Seele verzehrt, wenn er am Feuer gesessen und diese Briefe gelesen hatte?
Griffyns Hand ballte sich um die Schriftrolle. Er musste sich zwingen, den Brief loszulassen. Wie passend, dass im letzten Brief auch etwas über den Schatz stand.
Danach war es mit der
Liebe vorbei gewesen. Die Männer hatten die Heiligtümer gefunden. Oder man hatte sie ihnen übergeben. Aber wie immer auch es gewesen war: Der Nachfolger Karls des Großen hatte im Heiligen Land seine Hände auf den Schatz legen dürfen.
Sein Vater. Das Blut seines Vaters pulsierte auch in
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