Die Verfuehrung Des Ritters
Euch nach dem Sohn des Königs gefragt.«
Fulk räusperte sich und legte eine fleischige Hand auf den Messergriff. Sein Blick richtete sich auf den Boden. »Nun ja, Mylady. Er war niederträchtiger, als man hätte meinen können ...«
»Was meint Ihr damit?«
»Er hatte seinen eigenen Kopf, aber nicht in der Art, dass man ihn deswegen respektiert hätte; man hat ihn dafür eher verachtet.«
»Aha.« Sie war ehrlich verblüfft.
»Und glaubt jetzt nicht, Euer Bruder hätte anders über ihn gedacht, Mylady.«
Ihr stand der Mund offen. »Aber sie waren Freunde.«
Fulk schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht. Eustace wäre eines Tages sein König gewesen, das war das Einzige, was sie miteinander verband.« Er schnitt sich noch ein Stück Fleisch ab. »Eustace bedeutete immer Ärger, und es ist für uns alle besser, dass er tot ist. Gott möge seiner Seele gnädig sein«, fügte er hinzu und warf einen halbherzigen Blick gen Himmel.
»Aber das verstehe ich nicht, Fulk«, sagte sie, sichtlich verwirrt. »Warum habt Ihr König Stephen unterstützt, wenn Ihr doch wusstet, dass Eustace ihm auf den Thron folgen würde?«
Er musterte sie erstaunt, kaute und schluckte in aller Ruhe, ehe er ihr antwortete.
»Aber ich habe ihn doch gar nicht unterstützt, Mylady. Ich habe das alles nur für Euch getan.«
Und jetzt sprachen sie tatsächlich über Piraten, gekaperte Schiffe und andere schreckliche Dinge.
24. KAPITEL
Griffyn saß in der Halle und hatte einen Becher Ale neben sich auf dem Tisch stehen.
Er beugte sich über einen Bogen Pergament, als Gwyn den Raum betrat. Er blickte auf und winkte sie heran.
»Gwyn. Gut, dass du da bist. Soeben habe ich erfahren, dass Henri fitzEmpress doch eher zum Nest kommt als erwartet. Er wird schon morgen hier sein und will bis zur Vermählung bleiben ...«
Er verstummte. Gwyn blieb im Durchgang stehen. Ihre dunklen Augen funkelten ihn an. Die Wangen waren tränennass, und sie hielt ihre Hände ineinander verschränkt.
Er stand auf. Der Stuhl fiel hinter ihm klappernd auf den Boden.
»Was ist los, Gwyn?«
»Wann ist dein Pferd gestorben, Griffyn?«, fragte sie tonlos.
»Wie bitte?«
»Dein Rebell. Der Stall. Wann brannte er nieder?«
Er zögerte. »Als ich acht Jahre alt war.«
»Ich weiß. Aber wann genau war das?«
»Kurz bevor wir England verließen. Als Stephen den Thron bestieg und der Krieg begann.«
»Als mein Vater Everoot eingenommen hat?«
Er schwieg einen Moment. »Er hat ihn bis auf die Grundmauern niedergebrannt.«
Ein Schluchzen erschütterte ihren Körper. »Das habe ich mir gedacht .« Sie schluckte. »Ich habe etwas getan.«
Er erstarrte. »Was hast du getan?«
»Ich habe es getan, bevor du hierhergekommen bist.«
Griffyn beobachtete sie stumm. Etwas Kaltes griff nach ihm.
»Aber ich auch nach deiner Ankunft damit weitergemacht. Gott steh mir bei.«
»Was?«
Ihr Körper schien plötzlich dahinzuschwinden. Sie lehnte sich mit der Schulter gegen die Steinmauer. »Ich habe den Sohn des Königs im Keller versteckt.«
Er runzelte verwirrt die Stirn. »Henris Sohn? Er hat keinen Sohn.«
»Stephen aber schon.«
Gwyn sali, wie er erstarrte. Erst jetzt schien er zu begreifen, was sie damit sagen wollte. Seine Augen bohrten sich in ihre. Dann sprang er plötzlich auf und ging, ohne sie eines Blickes zu würdigen, zur Tür.
Sie rief ihn, aber ihre Stimme war kaum mehr als ein atemloses Flüstern. »Es gibt einen anderen Weg.«
Er blieb stehen.
»Es gibt einen geheimen Weg in das Gewölbe«, flüsterte sie. Er stand mit dem Rücken zu ihr. »In unseren Gemächern. Hinter dem Gobelin.«
Er fuhr zu ihr herum. Jetzt spürte sie seinen Zorn. Sie sah die Wut in seinen schiefergrauen Augen, die nahezu farblos wirkten.
»Hast du geglaubt, das wüsste ich nicht?«, sagte er gefährlich leise. »Lieber Gott, Gwyn, was hast du denn gedacht ? Die ganze Zeit hast du geglaubt, ich wüsste nichts von diesem Geheim-gang, und hast mir nichts davon gesagt? Und hast obendrein diesen Verräter da unten versteckt?«
»Ich wollte es ja nicht«, hauchte sie. Tränen strömten über ihr Gesicht.
»Das hat dich aber nicht daran gehindert, es zu tun.«
Er packte sie am Handgelenk und zerrte sie hinter sich her. Sie stolperte hinter ihm die Treppe hinauf. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
»Alexander!«, brüllte er, während er mit ihr die enge Wendeltreppe hinaufhastete.
»Alexander! Jerv!« Er blieb abrupt stehen und wandte sich zu ihr um. Gwyn prallte gegen ihn.
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