Die Verfuehrung Des Ritters
durch Ertasten, halb, weil er sich wieder daran erinnert hatte, gefunden. Die Schatten tanzten träge über die Wände, und ein frischer Windhauch, von dem Griffyn nicht wusste, woher er kam, ließ die Flamme flackern.
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Ich habe schon seit Jahren nicht mehr an diesen Ort gedacht, aber heute Nacht ist er mir plötzlich wieder eingefallen.« Er beugte sich vor und starrte den Gang entlang, der sich dunkel zu seiner Rechten erstreckte. »Der Gang führt zu einer Höhle im Wald, wenn ich mich recht entsinne«, murmelte er mehr zu sich selbst als an Alex gerichtet, der neben ihm stand und wartete.
»Du hast früher hier unten gespielt?«
Griffyn lächelte leise. »Ständig.«
Alex erschauderte. »Und Guinevere? Sie ist auch auf Everoot aufgewachsen. Hat sie hier unten gespielt?«
»Ich weiß es nicht«, murmelte er. Das Leder seines Waffenrocks quietschte bei jeder Bewegung leise. Sie waren nach dem morgendlichen Training mit den Männern heruntergekommen. Eigentlich hatte er danach mit ihnen auf die Jagd gehen wollen, aber dann hatte Griffyn Jerv an seiner statt losgeschickt. Er hatte Arbeit vorgeschützt, hatte aber auch versprochen, sich seinen Männern am folgenden Tag anzuschließen.
Aber Griffyn wusste, was tatsächlich gerade mit ihm passierte. Die Gier breitete sich weiter aus. Er war Christian Sauvages Sohn. Es lag ihm im Blut.
Gwyn hingegen schien nicht von der Besessenheit betroffen zu sein, die ihren Vater zerstört hatte. Sie war anders. Ja, sie unterschied sich tatsächlich von allen Menschen, die er kannte.
»Aber ich würde es gern wissen«, sagte er laut. »Ob sie hier unten gespielt hat.« Im Gewölbe war es finster, eng und feucht. Wenn sich jemand in die Tiefen vorwagte, dann riskierte er, in Spinnweben zu laufen. Ein Kind mit großer Vorstellungsgabe konnte hier schon Angst bekommen. »Ich glaube, sie war oft hier.«
»Dann seid ihr beide verrückt«, murmelte Alex ohne große Überzeugung. Mit seinem Kurzschwert zeigte er auf die Tür, die mit einem riesigen Vorhängeschloss gesichert war, das die Form eines Drachenkopfs hatte. »Willst du die Tür öffnen?«
»Wirst du irgendwann aufhören, dich wie ein Hüter zu verhalten?«, murmelte Griffyn. Er nahm die Kette mit dem Eisenschlüssel vom Hals und steckte ihn ins Schloss. Er traf auf eine Barriere. Der Schlüssel passte nicht.
Alex fluchte lautstark.
Griffyn versuchte es noch einmal und zerrte heftig an dem Schloss. Nichts.
»Zerschlag das Schloss«, schlug Alex vor.
»Das ist lächerlich«, erwiderte Griffyn heftig. Aber in Gedanken befand er, es sei eher frevlerisch, es zu zerschmettern. »Das werde ich nicht tun.«
Alex hob die Brauen. »Und was machst du jetzt?«
»Warten.«
Sein Freund fuhr zu ihm herum. »In Gottes Namen, Griffyn! Warten worauf? Wie lange kannst du noch warten?«
Griffyn wich unwillkürlich zurück. Alex' plötzlicher Wutausbruch verwirrte ihn.
»Vermutlich länger als du.«
Alex' Blick war steinhart. »Griffyn. Ich bin schon lange ein Hüter, länger als du lebst.
Ich habe mein ganzes Leben auf dich gewartet. Und jetzt ist alles, was du zu tun bereit bist, warten. Die Welt wartet auf deinen Befehl, wenn du nur die Hand nach ihr ausstreckst und nimmst, was dir gehört.«
»Du hast ja keine Ahnung«, erwiderte Griffyn leise. Nur mühsam konnte er sich beherrschen. »Das hier habe ich nie gewollt. Dein ganzes Streben war stets darauf ausgerichtet, dass ich mich endlich meinem Schicksal stelle; und jetzt hast du es erreicht. Ich suche nach dem Schatz, und ich hasse diese Suche. Ist es denn so wichtig, ob wir noch ein paar Tage oder ein Jahr warten? Letztlich werde ich doch wie die anderen sein. Ich werde von diesem Schatz verdorben, und er wird mich daran hindern, mein Leben zu leben.«
Einen Moment lang überlegte Alex. »Aber ganz so ist es nicht.«
»Das ist mir egal«, entgegnete Griffyn. Seine Stimme hallte von den Wänden wider.
»Ich kann nur eines mit absoluter Sicherheit sagen: Ich hasse mein Schicksal.
Trotzdem kann ich nichts anderes tun, als mich ihm zu beugen. Ich lasse meine Frau allein, um dem kleinsten Hinweis zu folgen. Und nachts träume ich davon!«
Alex zögerte. »Was sind das für Träume?«
Griffyn sank auf den riesigen Steinblock, der ein Stück vorragte und vor der Tür als Sitzgelegenheit diente. Ein guter Platz für jemanden wie ihn, der sich hinsetzen und darüber nachgrübeln wollte, wie er in die Kammer gelangen konnte. Er
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