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Die Verfuehrung Des Ritters

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tun?«
    »Was wisst Ihr über Eustace, Fulk?«, fragte Gwyn so beiläufig wie möglich. Die Welt war grau verhangen. Morgens lag Nebel auf den Feldern und der Festung, der ihre Stimmen zurückwarf, als stünden sie in einer dunklen Felshöhle.
    Fulk blickte sie überrascht an. »Eustace?«
    »Ja, Prinz Eustace. Wie ist er so als Mann? Welches Verhalten legt er an den Tag?«
    Sie stand neben ihrem Hauptmann. Die Angst grub sich schmerzlich in ihren Leib, ihr Herz hämmerte unnatürlich laut. Seit sie am Morgen aufgestanden war, hatte sich ihrer das Gefühl drohenden Unheils bemächtigt. Vielleicht lag es an den Alpträumen. Am Tag danach fühlte sie sich immer krank und war ungewohnt reizbar.
    Aber tief in ihrem Herzen wusste sie, dass es diesmal anders war. Ein Unheil zog herauf.
    Sie standen neben dem Platz, auf dem die Knappen und Ritter sich ertüchtigten und den Kampf übten. Es war für die meisten noch zu früh, und bisher hatten sich erst wenige Männer eingefunden. Selbst Fulk, der für viele Männer der Lehrmeister war, zwang sie nicht, sich zum Training einzufinden, solange sie nicht wenigstens einen Brotkanten und einen Becher Ale zu sich genommen hatten. Ein einsamer vierzehnjähriger Knappe, der sich verzweifelt nach seinem Ritterschlag sehnte, versuchte sich immer wieder an der Stechpuppe und ritt mit der Lanze gegen sie an.
    Er traf die Puppe, doch schaffte er es nicht, schnell genug weiterzureiten, und wurde jedes Mal von dem herumschwingenden Stroharm aus dem Sattel gefegt. Seit sie hier standen und ihn beobachteten, passierte es schon zum dritten Mal.
    Fulk zelebrierte geradezu das kleine Morgenmahl, das Gwyn ihm mitgebracht hatte.
    Er seufzte zufrieden und stellte den fast leeren Teller auf einen Baumstumpf.
    »Entschuldigt, Mylady«, murmelte er. Dann wandte er sich an seinen Zögling und schrie quer über den Trainingsplatz: »Schneller, Peter! Beweg deinen trägen Arsch schneller, sonst bist du von den Schlägen auf den Kopf zum Julfest ein Idiot! Und du hast nicht genug Verstand, um einen Teil davon an eine Stechpuppe zu verschwenden!«, fügte er grimmig hinzu.
    Peter hob eine Hand. Seufzend wandte Fulk sich ab. »Wo habt Ihr den bloß aufgetrieben, Mylady?«
    »Dort, wo ich auch die anderen herhabe. Sie waren alle dem Tode geweiht.«
    Fulk brummte. »Das ist wenigstens etwas. Eines halte ich ihm allerdings zugute: Er arbeitet härter als alle anderen zusammen.« Er spießte noch ein Stück Fleisch auf.
    »Mylady? Ihr habt mich was gefragt.«
    Der Nebel erstickte alles. Sie wischte sich das nasse Haar aus der Stirn. »Eustace. Der Prinz. Was für ein Mann ist er?«
    Er betrachtete sie nachdenklich. »Ihr meint, was für ein Mann er war?«
    »Genau. Wie war er so als Mensch?«
    Fulks scharfer Blick glitt über ihr Gesicht. »Ihr habt Euer Leben lang nur Krieg erlebt, Mylady. Was glaubt Ihr, hat dieser Krieg mit den Männern angerichtet? Vor allem mit den Prinzen dieses Landes. Der Krieg treibt sie allesamt in den Abgrund.«
    »Nicht alle. Nicht jeder stürzt in diesen Abgrund.«
    Fulk hielt ihrem Blick stand. »Ihr denkt an Euren Vater.«
    Nein, sie dachte nicht an Papa, sondern an Griffyn. Aber jetzt erinnerte sie sich wieder an ihren Vater und wurde nachdenklich.
    »Er war kein Heiliger, Gwynnie. Das müsstet Ihr nach all den Jahren wissen. Er war nicht besser als die anderen.«
    »War er schlimmer?«
    Die Frage entschlüpfte ihr, ehe sie darüber nachdenken konnte. Ihr Atem stand in einer kleinen weißen Wolke vor ihren Lippen. Fulk hörte auf zu kauen und wandte ihr den Kopf zu.
    »Ich glaube, es kommt drauf an, wie man es sehen will, Mylady. Auf welcher Seite man steht.«
    »Und was wäre, wenn ...« Sie zögerte. Ihr war schlecht. Es fühlte sich an, als müsste sie ertrinken. »Was hätte ich gedacht, wenn ich hier schon gelebt hätte, als mein Vater kam und das Nest eroberte?«
    Fulk blickte weg. »Es gab ein großes Feuer.«
    Etwas Scharfes und Bitteres stieg ihr in die Kehle. »Was für ein Feuer?« Fulk gab keine Antwort. »Was für ein Feuer? Hat Papa ...«
    Sie verstummte. Lass die Toten ruhen. Ihr Kopf fühlte sich ganz leicht an. Der Nebel warf die Worte zurück, umschloss sie. Es fühlte sich an, als stünden sie und Fulk unter einem Trocken—
    dock und unterhielten sich flüsternd über Piraten, gekaperte Schiffe und andere schlimme Dinge.
    Frag nicht noch einmal danach.
    Das ungewöhnlich kalte Schweigen hielt an, bis Gwyn endlich fragte: »Was ist mit Eustace, Fulk? Ich habe

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