Die Verfuehrung Des Ritters
vertreiben. Bei den Pferden wartete ein drahtiger Mann mit struppigem Haar, der Gwyn misstrauisch entgegensah.
»William, das ist Mylady Guinevere«, stellte Adam sie vor.
Das graubraune lockige Haar des Mannes war verdreckt. Er neigte kurz den Kopf.
»Wir sind sehr schnell geritten, um zu Euch zu gelangen, Mylady.« Er blickte zu seinem Herrn auf. »Weiß sie davon?«
Adam nickte, ohne die Unhöflichkeit seines Dieners zu kommentieren. Auch Gwyn reagierte nicht darauf. Ihr Blick ruhte auf der Gestalt, die auf den Rücken eines der Pferde geschnallt war.
»Er wird bei dieser Hitze zunehmend schwächer«, sagte Adams Diener frei heraus.
»Er muss an einen kühlen Ort gebracht werden, und er braucht ne Menge Pflege, Mylady.«
Sie löste den Blick von dem Bündel und sah die Männer an.
»Und vor allem darf er nicht entdeckt werden«, fügte Adam hinzu. Er blickte sie aufmerksam an.
»Ich könnte ihn in meinen Gemächern unterbringen, aber ...« Sie verstummte.
»Aber?«
»Die Leute gehen dort ein und aus, als ob's die Halle selbst ist«, erklärte sie schließlich. »Und wenn ich ihnen befehle, sich fernzuhalten, wird das einige Aufmerksamkeit erregen.«
»Und vielleicht einige Fragen aufwerfen. Wo könnten wir ihn noch unterbringen?«, fragte der Ritter.
»In einer der Vorratskammern?«, schlug sein Diener vor.
Gwyn begehrte auf. »Ihr wollt den Prinzen im Keller unterbringen?«
»Dort ist es genauso sicher wie an jedem anderen Ort, das garantiere ich Euch. Es sei denn, da unten drängen sich schon ein paar von Henris Männern, die Ihr in Ketten habt legen lassen?« William fuhr mit der Zunge über seine arg in Mitleidenschaft gezogenen Zähne und starrte Gwyn unverwandt an. Hilflos wandte sie sich an Adam.
»In den Keller«, entschied er.
Sie schaute auf das in eine graue Decke gehüllte Bündel, das reglos über dem Pferderücken hing. »Also gut, verstecken wir ihn im Keller. Möge mein König mir gnädig sein.«
»Er wird Euch gnädig sein, wenn der Prinz überlebt, Mylady«, witzelte der Diener.
»Wenn er aber stirbt, nun ja ...« Er zog eine Augenbraue hoch, während sie die Pferde von der schweren Eichentür wegführten, die ins Innere der Burg führte.
»Man hätte ihn sonst wohin bringen können, und nichts wäre gut genug gewesen, den Zorn unseres Königs zu besänftigen.«
Gwyn führte die beiden Männer zu einem selten benutzten Zugang an der nördlichen Seite der Burg. Hier gab es keine Außengebäude, keine Gärten und keinen Übungsplatz, und somit kaum einen Grund herzukommen. Sie erreichten den kühlen Schatten, den der Bergfried spendete, und Gwyn hoffte inständig, dass niemand ausgerechnet jetzt auf der Suche nach einem kühlen Plätzchen hierherkam.
Die Mauer des Turms war dicht mit Efeu überwuchert. Sie riss einige Ranken beiseite, hinter denen sich eine schmale Treppe befand, die zu einem versteckten Zugang führte. Die riesige Eichentür am Fuß der Treppe war mit Eisenbeschlägen verstärkt worden. Gwyn wählte von dem Schlüsselring an ihrem Gürtel einen Eisenschlüssel, der schon Rost angesetzt hatte, aus und steckte ihn ins Schloss.
Die Tür öffnete sich geräuschlos. Sie wurden von tiefer Dunkelheit und einem leicht muffigen Geruch begrüßt. Gwyn hielt sich die Nase zu, während Adam die Tür mit drei Steinen arretierte. Sie trat beiseite, damit die beiden Männer ihre königliche Fracht vom Pferd wuchten und in den Keller tragen konnten.
Sobald sie in der Dunkelheit verschwunden waren, beseitigte Gwyn die Steine. In der Eile riss sie sich dabei einen ihrer Fingernägel ein und fluchte unbotmäßig wie ein Matrose. Dann schlug die Tür hinter ihr ins Schloss.
Es war dunkel. Eine vollständige, betäubende Dunkelheit, die sie erneut fluchen ließ, wenngleich diesmal ein wenig leiser.
Das Echo hallte unheimlich und flüsternd von den Wänden wider.
»Wisst Ihr, wo wir sind?«, fragte Adam. Seine Stimme kam von links.
Sie knabberte an ihrem Fingernagel, während sie sich zu orientieren versuchte. Sie mussten sich am Ende eines selten genutzten Ganges befinden, der an Zellen und kleinen Kammern vorbeiführte. Räume, in denen einst Geräte verwahrt worden waren, die man für eine Belagerung brauchte, ebenso wie Wein und Nahrungsmittel und ein großes Arsenal Waffen. Aber jetzt waren all diese Räume leer, wenn man von den Skeletten kleiner Tiere und einem beständigen Tropfgeräusch absah, das aus der Ferne an ihr Ohr drang.
»Kommt.«
Fast wie blind tastete
Weitere Kostenlose Bücher