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Die Verfuehrung Des Ritters

Die Verfuehrung Des Ritters

Titel: Die Verfuehrung Des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
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fortgeschickt worden waren, um die Armee König Stephens zu unterstützen.
    Es blieb den Frauen und den Jungen überlassen, die Ernte einzubringen, Vorräte anzulegen und sich für den kommenden Winter zu wappnen. Und es hieß, der nächste Winter werde lang und bitterkalt. Die Hundstage im Juli waren kaum zu ertragen gewesen, und vielleicht waren durch die brütende Hitze genauso viele Menschen umgekommen wie durch die Kämpfe. Allein bei dem Gedanken, ein paar Schritte zu gehen, wirbelte schon der Staub auf, und der Weizen raschelte mit seinen leeren Ähren über den Köpfen derer, die diese erbärmliche Ernte einbrachten.
    Es könnte schlimmer kommen, ermahnte Gwyn sich. Sie könnte all das durchmachen und zugleich mit Marcus fitzMiles verheiratet sein. Oder unter seiner Vormundschaft stehen. Aber sie würde eher Pasteten auf dem Markt verkaufen wollen, als an Marcus gekettet zu sein.
    Das ritterliche und seit Langem bestehende Versprechen des Königs an ihren Vater gab es nach wie vor. Doch es war Gwyn gelungen, dessen Einlösung hinauszuzögern, und das trotz der üblen Drohungen, die Marcus ausgestoßen hatte. Oder gerade deswegen? Stolz war ein machtvoller Ansporn, selbst für ihren ritterlichen König.
    Aber wie es auch dazu gekommen war: Everoot befand sich noch immer in Guineveres Hand. Zumindest noch so lange, bis
    es ihr wie schmelzendes Eis zwischen den Fingern zerrinnen würde. Die Sommerhitze verbrannte all das, was der Grafschaft an ohnehin recht dürftigen Quellen zur Verfügung stand. Selbst der Verkauf der Harfen ihrer Mutter wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein, um der Katastrophe zu entgehen.
    »Außerdem haben wir Nachricht aus Wales bekommen«, fuhr William fort, und seine Stimme klang noch niedergeschlagener als sonst. »Es ist schon wieder ein Verwalter verschwunden. Aus Ipsile dieses Mal.«
    Die Ländereien in den walisischen Marken waren berüchtigt dafür, dass kein Verwalter es dort lange aushielt. Manchmal wurde den Männern auch der Garaus gemacht, ohne dass man genau wusste, warum. Gwyn hob den Kopf. »Ist er tot?«, fragte sie erschöpft.
    »Nein. Nur verschwunden.«
    Sie stand auf und schob die Pergamentrollen und Wachstafeln beiseite, die auf dem Tisch verstreut lagen. »Für den Moment wäre das alles, William. Ich werde mich um einen neuen Verwalter kümmern. Später.«
    Die Schreibstube befand sich tief im Innern der Burg, in das kaum frische Luft und Licht hineingelangten. Aber während der Hundstage war es hier erfrischend kühl.
    Nur widerstrebend betrat Gwyn den Gang, in dem heiß und feucht die Luft hing.
    Sogar die Steine schwitzten die Hitze aus. Ihr Verwalter eilte ihr nach.
    »Ersetzt weiter die Fischreusen am oberen Flusslauf, William, wie wir es besprochen haben. Ihr hattet recht: Jemand hat sie mutwillig zerstört, und sie taugen allenfalls noch dazu, Schilfrohr mit ihnen zu fangen.«
    Sie fühlte sieh schlapp, als sie zum nördlichen Turm ging, in dem einige Frauen darauf warteten, dass sie sich zu ihnen gesellte.
    Eine Zeitlang plauderte Gwyn mit den Frauen, ehe sie ihre Stickarbeit in den Schoß sinken ließ und ins Leere starrte. Einst war dieser Raum ein Gemach für Kinder, doch jetzt gab es hier keine Kinder; sie verbrachte eine Stunde am Tag bei den Frauen, stickte und plauderte mit ihnen. Es war die einzige Stunde des Tages, in der sie nicht mit den Aufgaben als Burgherrin belasst war.
    Die Stimmen der Frauen schwebten wie zarte Silberfäden in der stickigen, heißen Luft. Sie saßen auf Schemeln, neigten die Köpfe und redeten angeregt, während sie eifrig nähten. Hin und wieder hob sich ein farbenprächtiger Schleier oder ein buntes Haarband - rot, grün, saphirblau -, und ein Paar helle Augen blickte zu einer der Frauen, die gerade einen Scherz gemacht hatte. Dann senkte sich der Blick wieder und wandte sich der Arbeit zu.
    In den letzten sechs Monaten war Gwyns Gefolge besorgniserregend schnell gewachsen. Aber was konnte sie schon dagegen tun? Wenn die Töchter von geschätzten Vasallen und der im Süden lebenden Adeligen einen sicheren Ort brauchten, zu dem sie fliehen konnten, wer war sie denn, ihnen diese Zuflucht zu verweigern?
    Dass Gwyn eine sichere Zuflucht bieten konnte, lag aber nicht nur daran, dass Everoot weit oben im Norden gelegen war. Auch diese Kunde hatte sich schnell verbreitet: Guinevere de l'Ami gehört zu jenen, denen man vertrauen kann.
    Aber nicht nur die edlen Damen suchten einen sicheren Ort. Als der Juli mit einer

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