Die Vergangenheit des Regens
Klippenwälder auf. Ein Rätsel, das das Mammut nie restlos zu lösen imstande gewesen war.
Jetzt war es leichter. Mit vereinten Kräften konnten Tegden und Bestar erst Rodraeg und dann Kinjo auf den Grat hinaufziehen. AnschlieÃend kletterten sie zu viert weiter, mit Seilen aneinandergebunden. Zweihundert Schritt weiter in die Höhe waren gut bewältigbar. Kinjo riss sich etwas mehr zusammen als weiter unten, und Rodraeg, dem die verzerrten Gesichter der von ihm niedergehauenen Kenekenkelu immer noch nicht aus dem Sinn gingen, fügte sich gut ein in den ständigen Ablauf aus Steigen, Greifen, Halten und Ziehen. Mit jedem weiteren Schritt und Zug â redete er sich ein â entfernte er sich mehr von dem Schlachtfeld und vergaà mehr und mehr seiner entsetzlichen Einzelheiten.
Obwohl die Sonne zunehmend an Kraft verlor und sich dem Abend entgegenneigte, schien es in der Höhe immer wärmer zu werden, als kochte oder brannte der Berg an seiner Spitze. Mehr als die Hälfte des Aufstiegs war bereits geschafft. Der Ausblick ringsum loderte nun so gewaltig, tief und furchteinflöÃend, dass Rodraeg und Kinjo am liebsten nur noch auf den Fels geschaut hätten. Bestar dagegen genoss die Höhe. Schluchten und Berge mit bis zu tausend Schritt Höhe prägten die Klippenwälder. Für ihn war der Temé-Béku also nicht einmal besonders imposant, allenfalls die Einsamkeit und Steilheit dieses Kegels waren bemerkenswert. Tegden wiederum hatte die meisten Jahre seines Lebens in Galliko verbracht, von wo aus man im Süden die sehr viel höheren Gipfel der Felsenwüste sehen konnte und im Westen die Klippenwälder mit den Kjeerklippen. Mehrmals hatten ihn gefahrvolle Missionen in die Berge geführt. Ihm machte allenfalls die heiÃe, stickige Luft dieses ausgetrockneten Südens zu schaffen. Gewöhnt war er eher an Kühle, Klarheit und Reif.
Sie gönnten sich eine kurze Rast, denn jetzt stand ihnen ein weiteres Fährnis bevor: eine sogar leicht überkrängende Wand von fünfzehn, zwanzig Schritt Höhe. Umgehbar war das Hindernis nicht, das hatte Tegden schon ausgekundschaftet. Rings um diese Wand herum war der Berg so brüchig, dass man in ihm allenfalls zur Lawine werden konnte. Die Wand schien die einzige stabile Wegstrecke zu sein, die von ihrem Standort aus weiterführte. Freihändig kletterbar war dieser Ãberhang jedoch keinesfalls, also musste Tegden mit Wurfhaken und Seil arbeiten und hoffen, dass diese Sicherung seinem Gewicht standhielt.
Ãchzend mühte er sich hinauf bis in zehn Schritt Höhe â dann brach der Haken mitsamt einem Stück Felsen hinaus. Tegden stürzte im freien Fall. Bestar tat alles, was in seiner Macht stand, aber den Sturz eines Menschen aus zehn Schritt Höhe abzufangen, überstieg auch seine Kräfte. Tegdens Gewicht schmetterte ihn zu Boden, und dann brach dieser Boden unter ihnen beiden ab und begann in die Tiefe zu rutschen.
Kinjo hatte sich gerade abgewandt, weil dicht neben ihm der Kletterhaken und von oben herabfallende Felsstücke aufschlugen. Rodraeg jedoch griff geistesgegenwärtig zu und bekam Tegden zu packen, an dem sich wiederum Bestar festhielt. Der Ruck und der Schwung der Abrutschenden waren jedoch zu stark: Rodraeg verlor vollkommen das Gleichgewicht, stürzte selbst auf den Bauch und begann zu schlittern. Jetzt war Kinjo heran und packte Rodraeg am Bein. Für ein paar Momente bildeten die vier Männer nun eine Kette â nur dass das schwerste Glied dieser Kette leider am falschen Ende hing, nämlich unten statt oben. Auch Kinjo geriet ins Rutschen. Dann lieà Bestar Tegden los und gischtete alleine in einer Wolke aus Staub und Schutt bergab, bis alles über eine Kante brandete und verschwand.
»Bestar!«, brüllte Rodraeg. »Bestaaaaaaaaaaaaaaaaaaaar!«
Der Schrei gellte ähnlich über den Wald wie Selke Birlens Todesschrei.
Ohne Bestars Gewicht kam wieder Halt in die drei anderen. Kinjo schaffte es, Rodraeg und Tegden zu stabilisieren. Tegden, der immer noch leicht benommen war von seinem Sturz und seinem Aufprall auf Bestars Arme, riss sich zusammen und warf eine Seilschlinge über einen in der Nähe von Kinjo ruhenden Felsblock. Mithilfe dieses Seiles konnte Tegden sich dann wieder aufwärts bewegen, sodass auch Kinjo Rodraeg besser zu fassen bekam und alle drei in eine weniger gefährliche Position krabbeln konnten.
Rodraeg
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