Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
erdenklichen Haltungen auf dem tiefrot durchtränkten Boden. Acht hellhäutige Lebendige standen herum, die Waffen immer noch abwehrbereit in Händen. Von Rodraegs Langmesser tropfte das Blut von mindestens sieben Menschen. Von Tjarkas Messer ungefähr ebenso viel. Bei Bestar mochte es das fünffache sein.
    Rodraeg kämpfte noch ein paar Augenblicke dagegen an, doch dann brach es aus ihm hervor. Wie Tjarka vorher schon übergab er sich, hustend und würgend und sich auf allen vieren im Leichenunrat aufstützend. Als ob das Sterben der Menschen durch das Atmen in ihn eingedrungen wäre, sich dort zu Schleim verfestigt hätte und nun abgestoßen werden müsste.
    Â»Wie … kann … man sich nur«, gelang es ihm schließlich hervorzuröcheln, »jemals an so etwas … gewöhnen?«
    Und Bestar, der Klippenwälder, sagte etwas, das zu einem Klippenwälder nicht so recht passen wollte. »Man gewöhnt sich niemals daran«, flüsterte er, während er Rodraeg aufhalf. »Genauso wenig, wie man sich an starke Bauch- oder Zahnschmerzen jemals gewöhnen kann. Aber man lernt, den Kampf als Teil seines Lebens anzunehmen. Man kann so erzogen werden und sich selbst so erziehen.«
    Rodraeg wusste darauf nichts zu antworten. In ihm und um ihn herum drehte sich alles. »Ich verstehe nicht, … warum sich überhaupt welche zurückgezogen haben. Müssen sie denn nicht jetzt dennoch am Gift zugrunde gehen?«
    Â»Vielleicht gibt es noch ein Gegengift«, vermutete Tjarka. »Vielleicht sind sie noch nicht ganz fertig mit uns, mit dem Leben, mit dem Wald.«
    Â»Ihr Götter!«, ächzte Onouk, die eher zufällig in diesem Moment an ihnen vorüberging. »Eine einzige Fackel, ein Funke nur, und nicht nur dieser Schauplatz, sondern der ganze Wald ist Geschichte.«
    Langsam kehrte Ruhe ein in Rodraeg. Aus den Muskeln suppte eine Erschöpfung, welche die Rebellionen in Magen und Geist zu überfluten imstande war. Gemeinsam mit Bestar und Tjarka machte Rodraeg sich ein Bild vom Ergebnis der Schlacht.
    Für den Erleuchteten kam jede Hilfe zu spät. Er war nur noch die Ruine eines Menschenkörpers. Weiß und anklagend ragten seine aufgebrochenen Rippenbögen empor. Tegden hatte ihn nicht retten können, war aber selbst auf bemerkenswerte Weise unverletzt geblieben.
    Um Ukas stand es sehr schlecht. Jacomer kümmerte sich um ihn, dann auch Onouk, aber der ehemalige Preisfaustfechter erzählte mit nuschelnder Stimme eine Geschichte von seiner Mutter, sang dann vor sich hin, dann wimmerte er nur noch, dann brabbelte er wie ein Neugeborenes. Nach allem menschlichen Ermessen lag er im Sterben.
    Migal konnte nicht mehr stehen. Bestar half ihm, dem Unbeugsamen, sich endlich hinzusetzen. Migals Beine sahen aus wie von roten Schlingpflanzen umwucherte Rebstöcke. Um diese Beine retten zu können, würde es eines Wunders bedürfen.
    Auch Ijugis hatte eine schwere Wunde am Knie zurückbehalten. Er konnte noch umherhinken, aber Onouk nötigte ihn schließlich dazu, sich ebenfalls zu schonen und hinzusetzen. Onouk, Rodraeg, Tjarka, Bestar und Tegden hatten nur Kratzer und Schrammen, Prellungen und Schürfwunden abbekommen, nichts Ernstes. Jacomer blutete aus zahlreichen Schnitten, die allerdings allesamt behandelbar gewesen wären, hätte nicht der Wassermangel ein dringendes Auswaschen der Wunden verhindert. Onouk, Tjarka und Tegden taten, was sie konnten, um Jacomers, Migals, Ijugis’ und Ukas’ Wunden zu versorgen, aber alles Fleisch war voller Schmutz. Mit Infektionen war mehr als nur zu rechnen. Nach dem raschen Gemetzel stand der Expedition nun die noch quälendere Phase eines Siechtums bevor.
    Kinjo Utanti erhob sich von Timbares Leichnam. Er war als Einziger vollkommen unverwundet. Niemand hatte ihn im Verlauf des Gefechtes angegriffen. »Wir müssen auf den Berg«, sagte er mit einer brüchigen Stimme, die zu dem jungen Geistertänzer gar nicht zu passen schien. »Und wir sollten nicht allzu viel Zeit dabei verlieren. Wir wissen nicht, ob dies alle Kenekenkelu waren oder ob es noch weitere Stämme gibt. Weiter oben sind wir, denke ich, sicherer als hier.«
    Rodraeg und Ijugis wechselten mehrere Blicke. Ihr Anführer und Zusammenhalt Timbare war tot. Ijugis befehligte mehr Leute als Rodraeg und hatte somit nun mehr Gewicht im Gesamtgefüge, aber Rodraeg hatte das deutliche Gefühl, dass

Weitere Kostenlose Bücher