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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Ijugis nicht der richtige Mann war, diese Expedition zu führen. Kinjo schien eine näherliegende Wahl zu sein. Seltsamerweise schien Ijugis – vielleicht auch aufgrund seiner Verletzung – das ähnlich zu sehen.
    Â»Wer auf den Berg steigen kann und will, sollte jetzt gehen«, nickte der Anführer Erdbebens . »Wir anderen schaffen Ukas und Migal ein Stück weiter hangaufwärts und versuchen dort eine verteidigbare Position einzunehmen, bis der Klettertrupp wieder zurückkehrt.«
    Rodraeg fragte Bestar: »Willst du lieber bei Migal bleiben?«
    Bestar schüttelte den Kopf. »Ich bleibe bei dir. Der Berg ist sehr steil. Ihr werdet jeden Mann brauchen können, der Klippenwalderfahrung hat.«
    Â»Das ist sicherlich richtig. Also: Wer steigt mit auf? Kinjo. Ich. Bestar. Tjarka?«
    Â»Lieber nicht, Rodraeg. Ich kann mit einem Wald mehr anfangen als mit einem Berg. Ich weiß, wie man in Bäumen klettert, aber ich habe überhaupt keine Ahnung, wie man senkrechten Fels hochsteigt.«
    Â»Ich auch nicht, lass dir das gesagt sein. Aber es ist in Ordnung. Du unterstützt die Gruppe, die unten bleibt. Sonst noch jemand?«
    Â»Ich komme mit«, sagte Tegden.
    Â»Sehr gut. Ijugis, du hast nichts dagegen?«
    Â»Nein.« Ijugis schien damit zufrieden, dass wenigstens Onouk bei ihm blieb. »Aber denkt daran, dass ihr euch wirklich ziemlich beeilen müsst! Wir können die Toten nach Wasser und Vorräten untersuchen, aber viel scheinen sie nicht bei sich zu haben. Auch fürchte ich, dass wir in diesem Trockengebiet nichts mehr zu jagen finden werden. Ich kann Jacomer und Tjarka ausschicken, aber wenn das auch nichts bringt … bleibt uns nur noch, die Leichen der Spinnenmenschen zu fressen.«
    Â»Dazu wird es nicht kommen«, sagte Rodraeg mit schwächerer Stimme als beabsichtigt. »Vielleicht gibt es da oben im Nebel noch Wasser, dann bringen wir mit, was wir tragen können.« Die Untenbleibenden händigten nun den Kletterern ihre leer gesaugten Wasserschläuche und Feldflaschen aus. Wünsche für ein gutes Gelingen der Ersteigung machten die Runde. Jacomer sah aus, als würde er auch gerne den Gefahren des Urwalds nach oben hin entfliehen, aber seine Treue zu Ijugis hielt ihn zurück.
    Ein paar Hundert Meter gingen die beiden Gruppen dann doch noch gemeinsam. Ukas und Migal waren einfach zu schwer. Bestar und Tegden mussten mithelfen, sie zu einer höheren Ebene zu tragen, der einzigen flacheren Stelle womöglich, bevor der Bergkegel sich tatsächlich beinahe senkrecht in den Himmel schraubte. Die Nebelwolke sah von unten aus wie ein leicht regenbogenschimmerndes Dach aus weißem Qualm. Vielleicht war es doch kein feuchtigkeitsverheißender Nebel, sondern Rauch, der den Temé-Béku berauschte.
    Ukas wimmerte unablässig, Migal ächzte bei jeder Bewegung, die der Transport ihm verursachte. Zum Abschied gaben Bestar und Migal sich die Hand. Im reichlichen Blut der gemeinsamen Kampfgegner war ihr Zwist wie weggewaschen.
    Schließlich scharte Kinjo seine Gruppe um sich. Rodraeg. Bestar. Tegden Baudo. Zu viert, mit allen Seilen und Haken, die sie selbst in den Wald mitgebracht und die sie dem königlichen Schatzfinder abgenommen hatten, machten sie sich an den Aufstieg ins Unbekannte.
    Ijugis ordnete unterdessen ein Lager um den sterbenden Ukas herum. Migal konnte nicht mehr laufen, aber auf sein Schwert gestützt immerhin noch Wache halten im Sitzen. Der hinkende Ijugis und die unverletzte Onouk waren im Lager die beweglichen Posten. Jacomer und Tjarka hingegen schlitterten durch Geröll zurück nach unten, um das Schlachtfeld nach Verwertbarem zu durchkämmen.
    Niemand bestattete den Erleuchteten und Timbare. Niemand sprach Worte für sie zum Gedenken oder zum Geleit. Die offen starrenden roten Augen und das zertrümmerte edle Gesicht eines geborenen Anführers blieben eingebettet in nacktes Leichenfleisch und aufgewühltes Erdreich.
    Jetzt, nachdem alle Bannkreise verwischt waren: Insektennahrung und -nest.
    Im Wald, der das Weinen verlernte.

6

Himmelwärts
    Der Aufstieg war eine unablässige Überforderung. Nicht für Bestar und Tegden, die beiden kamen recht gut voran. Aber Rodraeg fühlte sich wie in der Höhle des Alten Königs : hilflos mitgeschleppt von seinen Begleitern, Ballast eigentlich. Und Kinjo stellte sich sogar noch ungeschickter an als Rodraeg. Der junge Eingeborene

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